Ikon

Autor*in
Schwartz, Simon
ISBN
978-3-945034-79-8
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Schwartz, Simon
Seitenanzahl
216
Verlag
avant-verlag
Gattung
ComicTaschenbuch
Ort
Berlin
Jahr
2018
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Fachliteratur
Preis
25,00 €
Bewertung
empfehlenswert

Teaser

Der Comic erzählt die Geschichte der Hochstaplerin Franziska Czenstkowski, die sich bis zu ihrem Tod als die Zarentochter Anastasia ausgab.

Beurteilungstext

Seitdem die Mitglieder der Zarenfamilie im Sommer 1918 von revolutionären Soldaten ermordet wurden, hielt sich die Legende, dass die jüngste Tochter des Zaren diesem Schicksal auf wundersame Weise entkommen konnte. Als dann zu Beginn der Zwanzigerjahre in Deutschland eine junge Frau auftauchte, die vorgab, ebenjene Anastasia Romanowa zu sein, sorgte dies nicht nur für Aufregung bei den Produzenten und Abnehmern der Klatschpresse. Tatsächlich war sie zwar "nur" eine ostpreußische Arbeiterin aus einfachen Verhältnissen, die sich bereits vor Annahme ihrer neuen (falschen) Identität in jahrelanger psychatrischer Behandlung befand. Für diejenigen, die sich mit dem Untergang des zaristischen Russlands nur schwer abfinden konnten, wirkte die Nachricht einer überlebenden Zarentochter allerdings wie ein Rettungsanker in Zeiten des völligen Orientierungsverlustes. So erging es auch Gleb Blotkin, dem Sohn des ehemaligen königlichen Leibarztes, der all seine Hoffnungen auf die vermeintlich wiederauferstandene Anastasia richtete und alle dahingehenden Warnungen und Mahnungen in den Wind schlug.
Der Comicautor Simon Schwartz verwebt die Geschichten der echten Anastasia (bis zur ihrer Ermordung) und der „falschen Anastasia“ (ab ihrem ersten öffentlichen Auftauchen) in mehreren Vor- und Rückblenden, die meiste Zeit aus der Perspektive des kindlichen bzw. erwachsenen Blotkin. Auf einer zweiten Ebene erfolgt eine historisierende Darstellung und Einordnung der Ikonenverehrung innerhalb der christlich-orthodoxen Kirche in Russland. Die dahinter stehende Idee des Autors, so ist zu vermuten, scheint das Aufzeigen der strukturellen Ähnlichkeit von Ikonenanbetung einerseits und des bedingungslosen Glaubens an eine völlig unglaubwürdige Legende zu sein. Das Auffüllen einer innerer Leerstelle durch Projektion auf eine als heilig aufgefasste Figur findet sich demnach im christlichen Glauben wie im profanen Alltagsleben. Auch der traumatisierte Gleb Blotkin, welcher der Erschießung der Zarenfamilie beiwohnte, folgt also diesem Muster und verschreibt sich und sein Seelenheil einer zur Ikone überhöhten Person, die nicht ist, was sie zu sein vorgibt. Nun ist gegen eine vertrackte Erzählweise im Grunde nichts zu sagen, wenn es dabei gelingt, über das zwangsläufige Stakkato von Einzelszenen einen Spannungsbogen zu bauen, der von der ersten bis zur letzten Seite durchhält. Weil das aber eben nicht der Fall ist und auch Schwartz' Zeichnungen im Gewohnten bleiben, ist der Comic eine ganz passable Lektüre, aber eben auch nicht mehr.

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Diese Rezension wurde verfasst von mz; Landesstelle: Sachsen-Anhalt.
Veröffentlicht am 13.03.2019