Honig mit Salz

Autor*in
Bach, Tamara
ISBN
978-3-551-58499-1
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
160
Verlag
Carlsen
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
Hamburg
Jahr
2023
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
FreizeitlektüreKlassenlektüre
Preis
14,00 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Eine Normkritik, die den angepassten Kindern zu einer Stimme verhilft

Beurteilungstext

Den Honig versalzen ist schon in der spätmittelalterlichen Minne eine Analogie um anzuzeigen, dass sich das Schöne trübt und das als solche Trübung dem Schönen schon innewohnt. So geht es auch Tamara Bachs Protagonistin Ari. Sie verbringt mit ihren Eltern den Sommerurlaub in Griechenland. Aber was ein herrlicher Badeurlaub hätte sein können, entpuppt sich bereits von Anfang an als Brennglas der familiären Schwierigkeiten um die Pubertät Aris. Denn im Grunde haben sich alle drei Mitglieder nicht wirklich etwas zu sagen bzw. ein Interesse aneinander. Die Mutter entscheidet sich dafür im Urlaub zu arbeiten (hier kann ein leiser Unterton des Vorwurfs der Rabenmutter nicht von der Hand gewiesen werden). Der Vater trifft eine Urlaubsbekanntschaft, mit der er lieber Zeit verbringt und Ari wäre sowieso lieber bei ihrer Freundin. Und so bleibt es ihr nur, sich auszumalen, wie sich Ferien anfühlen würden, wenn sie endlich mit ihrer Freundin alleine verreisen kann. Auch in dieser behutsamen Innenansicht, die aus konsequent extradiegetischer Perspektive erzählt wird, steckt die Stärke dieses Buches. Denn Ari formuliert – für ihre Eltern und alle anderen unhörbar – ihre Sehnsüchte und Wünsche, ihre Vorstellungen von einem eigenen Leben mit eigenen Werten. Ihr Ausbruchswunsch erwächst dabei aus ganz „normalen“ mittelständischen, wohlsituierten und gutgebildeten Familienkonstellationen. Diese Perspektive ist zwar ein recht häufiger Background von Protagonist*innen in deutschsprachiger Jugendliteratur, Tamara Bach gelingt es jedoch aus der Situierung eine Kritik an dieser Norm einfließen zu lassen. Denn Ari muss sich nicht aus einem vernachlässigenden Elternhaus lösen (wie es beispielsweise für Mike aus „Tschick“ gilt), sondern die ganz alltägliche Familiensituierung nötigt der Jugendlichen eine Loslösung ab, die sie jedoch nur für sich formuliert. Für ihre Eltern bleibt Ari – wohl auch weil sie ihre Sehnsüchte vor ihnen nicht formuliert – ihr problemloses Kind.
Es ist nur folgerichtig, dass der erste Urlaubsflirt, den Ari im Urlaub findet, nicht als Ausbruch aus dem Beziehungsmodell der Eltern taugt. Auch wenn durchaus kritisiert werden kann, dass mit der Figur des „flatterhaften“ Pegasos die Typisierung des „promiskuitiven Südländers“ bedient wird – für Ari wird in diesem Sommer die Zweierbeziehung kein erstrebenswertes Lebensmodell. Dass die Suche nach solchen Ausbrüchen aus der Normfamilie bei dem Mädchen existiert, dass sie (für die anderen unhörbar) als Sehnsucht gefühlt wird ist das Besondere dieses Buches. Weder seine Hauptfigur noch seine Sozialkritik kommen mit lauten Schritten daher, sondern findet sich in dem leisen Nicht-Sagen und Nicht-Reden einer „normalen“ Familienkonstellation. Tamara Bach bespielt damit den Familienalltag als einen virulenten jugendliterarischen Stoff vor dem Hintergrund des Wertewechsels und der Kritik an Familiennormen.

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Diese Rezension wurde verfasst von Astrid Henning-Mohr; Landesstelle: Hamburg.
Veröffentlicht am 21.07.2023