Honig mit Salz

Autor*in
Bach, Tamara
ISBN
978-3-551-58499-1
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
159
Verlag
Carlsen
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
Hamburg
Jahr
2023
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüreKlassenlektüre
Preis
14,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Soll man mit dreizehn Jahren noch mit seinen Eltern in den Sommerurlaub fahren? Ari würde das verneinen. Sie würde viel lieber mit ihrer Freundin oder auch mit organisierten Jugendreisen ihre Urlaubstage verbringen. Doch dann trifft sie im Urlaub auf Pegasos, mit dem sie nachhaltige Stunden erlebt. Trotzdem...

Beurteilungstext

Die 13-jährige Ari(adne) ist mit ihren Eltern für den Sommerurlaub auf eine griechische Insel geflogen. Doch aus dem Urlaub wird nichts, denn Mama muss eine Kollegin online vertreten - sie arbeitet also täglich am PC. Und Papa gibt sich zwar redlich Mühe, die Tage sinnvoll mit Ari zu verbringen. Doch außer Strandbesuche ist nicht viel drin. So durchlebt Ari diese Tage im Grunde einsam und sehnt sich nach ihrer Freundin, die irgendwo - auch an einem Meer - mit Cousinen und Verwandten - einen offensichtlich fröhlicheren Urlaub verbringt. So kann man es aus den WhatsApp-Nachrichten entnehmen. Aber trotz dieser Fröhlichkeiten sehnt sich auch ihre Freundin nach eigenständigen Urlaubstagen. Ari liest, geht spazieren, ist mit Papa am Meer, der eine andere Frau trifft, sie fahren an mehrere Strände, gehen abends zum Essen usw. Doch zwischen allen Zeilen quillt die Langeweile und die Einsamkeit, verstärkt durch die immer häufigeren Streitereien der Eltern. Papa möchte mit Mama Urlaub machen. Mama verteidigt ihre Arbeit als Möglichkeit eines weiteren Karriereschritts innerhalb der Firma.
Und dann lernt Ari den 14-jährigen Pegasos kennen, der auf einem Mofa durch die engen Gassen der Kleinstadt fährt. Mit ihm wandert sie auf einen Berg, genießt das Schwimmen im Meer und auch die ersten Küsse.
Doch dann bricht alles ab: Es gibt keine Nachrichten mehr von ihrer Freundin, die aufkeimende Freundschaft zu Pegasos endet, Papa verschwindet für einige Tage und Mama beendet den Urlaub. Die Familie reist ab.
Liest man einen Roman von Tamara Bach, so kann man sich meistens auf sprachliche Experimente einstellen. Mal sind es Perspektivwechsel, mal die Du-Perspektive, dann ein Sammelsurium von Beiträgen verschiedener Personen, die ein Ganzes ergeben oder.... Diesmal hat sie "Kurzsätze" gewählt. Meist bestehen sie aus wenigen Wörtern oder gar nur aus einem. Trotzdem ist es kein Erstlesebuch oder gar ein BILD-Zeitungstext. Tamara Bach lässt in diesen Kürzestsätzen soviel Raum für das eigene Denken, das eigene Erinnern, dass aus diesen 159 Seiten ein dicker Roman wird. In diese Leerstellen kann der Leser/die Leserin alle Gefühle und Empfindungen hineinpacken, die es braucht, um einen individuellen Roman zu schaffen. So wird dieser Text von jeder Person mit Sicherheit anders gelesen und trotzdem spürt man die Langeweile, die Einsamkeit und die Sehnsucht nach Eigenständigkeit der Protagonistin und kann sie zu seinen eigenen Empfindungen addieren.
Da sind Wortschöpfungen wie "bauchnabeltief", "Wirddasetwaeinpickelnah" oder "Eislutschtrance", die Stimmungen ausleuchten, da werden Stimmungen und Wünsche von Ari wierdergegeben, wenn sie beim Rausschwimmen auf das Meer an mögliche Freiheiten denkt, wenn sie mit ihrer Freundin alleine unterwegs wäre. Wünsche nach Eigenständigkeit nach Selbstbestimmung werden wach und artikuliert (S. 95 und S. 115). Tamara Bach verbindet hier das Zähneputzen mit der Wut, die man hat (Schaum vor dem Mund: S. 115).
Als Erwachsene*r kann man diese sprachlichen Pralinen genießen. Selbst Jugendliche stolpern darüber und entdecken neue Möglichkeiten des Ausdrucks.
Und Pegasos, der fremde Junge von der Insel? Nicht umsonst trägt er den Namen des geflügelten Pferdes, der in Dichterkreisen als Wesen der Dichtkunst verehrt wird. Mit Pegasos lernt Ari das Träumen. Sie verirrt sich in Welten von Tanz und Musik, von Geliebtsein und Beneidetwerden, sie lernt Phantasien kennen und spürt die realen Küsse. Doch Ari(adne) hat keinen Faden, der sie sicher aus dem Reich der Träume zurückführt oder Traum und Wirklichkeit verbindet. Da ist die harte Realität, wenn Pegasos mit einerm neuen Touristenmädchen anbandelt und sie in die Realität zurückfällt.
Tamara Bach hat einen wunderbaren Roman geschrieben, der in seinen Kurzsätzen Freiraum gibt für Phantasie und individueller Vorstellungskraft. Sie hat aber auch Freiräume geschaffen für die berechtigten Wünsche von Jugendlichen.
Zwei Leitmotive durchziehen den gesamten Roman: Da ist das "Mofa", das für Bewegung, Aufbruch, Neues, Abenteuer ... steht. Und da ist die "Katze", die hier das Sinnbild der Ruhe, der Anschmiegsamkeit, der Annehmlichkeiten des Lebens abbildet. Zwischen diesen beiden Polen schwankt Aris ebensgefühl, zwischen dem süßen Honig und dem Salz, das Geschmack bietet und zugleich Schmerzen bereiten kann, wenn zu viel davon in die Speisen gerät.
Einziger Kritikpunkt meinerseits ist die etwas dünne Begründung für das Schweigen ihrer Freundin.

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Diese Rezension wurde verfasst von Walter Mirbeth; Landesstelle: Bayern.
Veröffentlicht am 20.03.2023