Himmel ohne Sterne: Der lange Weg nach Palästina

Autor*in
Schroeder, Rainer M.
ISBN
978-3-570-31241-4
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
576
Verlag
Gattung
Erzählung/RomanTaschenbuch
Ort
München
Jahr
2018
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
9,99 €
Bewertung
empfehlenswert

Teaser

Der Roman stellt in drei Phasen die Auswanderung von fünf jungen Juden nach Palästina in der Zeit nach 1947 dar, die alle in unterschiedlichen Konstellationen die Shoah überlebt haben: Die erste Etappe ist Deutschland bzw. England, die zweite die Fahrt über das Mittelmeer und die dritte das Ankommen in Israel.

Beurteilungstext

Rainer M. Schroeders Roman ist 2015 bei cbt erschienen und 2018 als Taschenbuch neu aufgelegt worden. Schroeder gehört – wie er es auf seiner Homepage schreibt – zu den "erfolgreichsten deutschen Schriftstellern von Jugendbüchern" mit einer Gesamtauflage in Deutschland von fast 6 Millionen. Ja, spannend schreiben kann der Mann und außerdem hat er sich zu diesem Roman in die Geschichte eingearbeitet, wie auch das ausführliche Quellenverzeichnis zeigt. Zudem widmet er sich mit diesem Roman einem Thema, zu dem deutsche Jugendliche meist gar nichts wissen: Es geht um die Alija, die Reise deutscher Holocaustüberlebender nach 1945, nach Palästina, nachdem sie erfahren müssen, dass sie nicht nur alle Verwandten in den KZs verloren haben, sondern dass sie auch nach dem Nationalsozialismus vor Antisemitismus und Unverständnis nicht geschützt sind. Leah und Jannek sind die beiden Hauptfiguren, sie treffen sich zufällig in München, gehen zunächst in ein Lager für Displaced Persons und entscheiden sich schnell, über Frankreich nach Palästina auszuwandern. Dass das nicht so einfach ist – angesichts einer überforderten Kolonialmacht Großbritannien – wird schnell deutlich. Es wird kenntnisreich dargestellt wie die britischen Besatzer jüdischen Flüchtlingen den Weg nach Palästina versperren, welche Probleme für die Neuankömmlinge in der israelischen Gesellschaft warten und schließlich, wie nach der Staatsgründung und dem Rückzug der Briten der Konflikt mit der arabischen Bevölkerung eskaliert. Es wird deutlich wie Israel der Sieg gelingen konnte, trotz der Übermacht arabischer Unterstützer, allein aus dem Mut der Verzweifelten. Schroeder packt das Ganze in eine spannend zu lesende Handlung, in der die einzelnen Figuren psychologisch nachvollziehbar handeln – besonders spannend ist dies an der Figur des Janneck, den die Erfahrungen im KZ zu einer zerrissenen, zynischen Persönlichkeit werden ließen. Das macht Schluss mit vereinfachten Vorstellungen, dass Menschen ihre Traumata hinter sich lassen können und 1945 einfach die "Stunde Null" beginnt. Für die Lesergruppe – hier würde ich vor allem aufgrund der drastischen Schilderungen von Grausamkeiten aus den Konzentrationslagern, aber auch dem Kriegsgeschehen in Palästina nicht unter 14 Jahre gehen – ist auch die Darstellung der Konflikte der Jugendlichen mit ihren Eltern und vor allem die Liebesgeschichten motivierend. Zwei Probleme hat der Roman, die sich beide auf seine Poetologie als historischer Roman beziehen lassen. Schroeder bemüht sich sehr, Faktenwissen zu vermitteln. Dazu dienen zum einen die häufigen Fußnoten, die ungeläufige Spezialbegriffe erläutern. Zum anderen wählt Schroeder immer wieder den Trick, dass Figuren zeitgeschichtliche Fakten in Monologen oder in Gesprächen ausbreiten. Das wirkt oft sehr gekünstelt und didaktisch. Sehr viel problematischer ist aber ein anderer Punkt: Die Geschichte Palästinas lässt sich nur erfassen aus einer doppelten Perspektive: die der Israelis und die der Palästinenser. Schroeder tut das Narrativ der Palästinenser durch seine Erzählung und noch einmal nachdrücklich in seinem Nachwort als unrelevant ab. Natürlich, wie hätte man einbauen können, dass die dargestellten Kämpfe nicht von allen gleich wahrgenommen wurden? Immerhin wäre es – gerade mit Blick auf die aktuellen Diskussionen aber notwendig gewesen, gerade für Jugendliche deutlich zu machen, dass die Verteidigungskämpfe der Holocaust-Überlebenden von der anderen Seite als Eroberung gesehen werden konnten. Wer das negiert, vereinfacht die komplexe Geschichte in einer ideologischen Art und Weise, die so nicht akzeptabel ist. Schließlich wäre noch der Stil des Textes zu bemängeln, insbesondere an Stellen, in denen erotische oder gewalttätige Atmosphäre aufgebaut wird, wird Schroeder doch gerne etwas blumig und in der Metaphorik antiquiert. Trotz dieser Mängel ist der Roman eine lohnende Lektüre, die sich zwar aufgrund seiner Länge (576 Seiten!) wohl kaum für eine Klassenlektüre eignet, aber für historisch und politisch interessierte Jugendliche neue Blickweisen eröffnet und gut zu lesen ist.

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Diese Rezension wurde verfasst von RPAK; Landesstelle: Rheinland-Pfalz.
Veröffentlicht am 28.01.2019