Good Talk. Erinnerungen in Gesprächen

Autor*in
Jacob, Mira
ISBN
978-3-551-76630-4
Übersetzer*in
Goldschmitt-Lechner, Simone
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Jacob, Mira
Seitenanzahl
368
Verlag
Carlsen
Gattung
Comic
Ort
Hamburg
Jahr
2022
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
26,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Mira Jacob setzt sich in dieser Grafic Novel mit ihrer eigenen Familiengeschichte auseinander, die vor allem von ihrer Situation als People of Colour in den USA bestimmt ist.

Beurteilungstext

„Grafic Memoir“ nennt man diese Form der biographischen Aufarbeitung, die Mira Jacob hier umsetzt: Farbige Fotos aus dem Familienbesitz bzw. aus dem eigenen Umfeld werden kombiniert mit schwarz-weiß gezeichneten Figuren mit Sprechblasen. Besonders irritierend ist, dass diese Figuren im gesamten Buch die gleiche Mimik und Körperhaltung beibehalten, egal welche Emotionen gerade ausgedrückt werden sollen. Das Ganze wirkt etwas wie die Fotoromane, die Jugendliche aus der „Bravo“ etc. kennen.
Dargestellt werden eigentlich nur Gespräche, so dass jedes Panel bis zu acht verschiedene Aussagen der dargestellten Figuren einander gegenüberstellt, oft kombiniert mit einleitenden auktorialen Reflexionen oder Einordnungen der Erzählerin. Das Ganze folgt grob einer Chronologie, es kommt aber auch zu zeitlichen Sprüngen, vor allem, wenn die Gespräche der Erzählerin mit ihrem Sohn eingeblendet werden. Hier gibt es vor allem Vorgriffe auf die Jahre 2014 und 2016. Gleichzeitig greift der Text aber auch zurück in die Geschichte der Familie vor der Geburt der Erzählerin.
Thema fast aller Gespräche ist der Rassismus, der Mira Jacob als Nachfahrin von indischen EinwanderInnen in die USA begegnet: Sie ist zwar Teil einer privilegierten Familie, doch schon innerhalb der indischen Familie wird ihr deutlich gemacht, dass ihre dunklere Hautfarbe als Problem gesehen wird. Dunkel seien auch in Indien nur die Unterprivilegierten und sie werde wohl nie einen standesgemäßen Partner finden. Auch das Thema Partnersuche zieht sich durch das ganze Buch: Immer wieder werden die indische Form der arrangierten Ehe mit dem westlichen Modell der Liebesheirat verglichen, die Erzählerin befindet sich hier noch in einer Zwischenposition, sie lässt sich verunsichern, als die gesamte Familie sie zu einem arrangierten Treffen mit einem jungen Mann drängt, der aus der indischen Community stammt. Besonders eindrücklich wird die Diskussion um den herrschenden Rassismus in den USA durch die Darstellung der politischen Entwicklung von 9/11 über Obama bis zu Trump. Die Erzählerin leidet vor allem darunter, dass sie immer wieder auf sehr indirekte Weise ausgegrenzt wird. So wählen ihre Schwiegereltern, die jüdischen Glaubens sind, Trump und die Erzählerin fühlt sich davon direkt angegriffen. Sie fühlt sich wegen Trumps rassistischer Bemerkungen persönlich zurückgestoßen von einer Familie, die doch selbst unter Antisemitismus gelitten hatte, und dies führt auch zu Spannungen in ihrer Ehe. Besonders eindrücklich sind die Gedanken, die sich die Erzählerin darüber macht, wie sie ihrem eigenen Sohn den ihn umgebenden Rassismus erklären soll, ohne ihn zu traumatisieren. Sie greift damit Gespräche auf, die sie als Blog unter BuzzFeed als '37 Difficult Questions from My Mixed-Raced Son' veröffentlicht hatte.
Mira Jacob schrieb 2014 den preisgekrönten Roman „Die Aufforderung des Schlafwandlers zum Tanz“, in dem sie schon einmal Teile ihrer Familiengeschichte verarbeitet hat, vor allem zu der Beziehung zu ihrem verstorbenen Vater.
Insgesamt zeigt das Buch auf unterhaltsame, aber auch bedrückende Weise, wie auch Angehörige einer privilegierten Schicht unter rassistischer Ausgrenzung zu leiden haben.

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Diese Rezension wurde verfasst von RPAK; Landesstelle: Rheinland-Pfalz.
Veröffentlicht am 09.06.2022