Ghetto Bitch

Autor*in
Gricksch, Gernot
ISBN
978-3-7915-0006-5
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
320
Verlag
Dressler
Gattung
Ort
Hamburg
Jahr
2016
Lesealter
14-15 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
14,99 €
Bewertung
nicht empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Nach dem Unfalltod des Vaters ist die Mutter der 16-jährigen Nele und ihres 14-jähriger Bruders Timo dazu gezwungen, ihre komfortable Villa in Poppenbüttel gegen eine kleine Wohnung in der Plattenbau-Siedlung Steilshoop einzutauschen. Nun kann Nele herausfinden, ob das Leben als "Ghetto Bitch" den Songtexten ihres Idols "Lisa T." entspricht.

Beurteilungstext

Gernot Gricksch hat sich u. a. als Drehbuchautor einen Namen gemacht, dies merkt man auch seinem Jugendroman "Ghetto Bitch" an, der in seiner Handlungsführung stark szenisch aufgebaut ist und sowohl in seiner Figurenzeichnung und mehr noch in seiner Raumsymbolik mit starken Kontrasten arbeitet. Zur Promotion des Romans hat der Verlag mit der "Bravo" zusammengearbeitet; dort erschien im Mai 2016 eine Foto-Lovestory, die auf dem Roman basiert.

"Ghetto Bitch" beginnt durchaus vielversprechend, um dann ab dem zweiten Drittel stetig an Qualität einzubüßen. So wird in den ersten Kapiteln eine Parabel über die Romantisierung des Lebens im ‚Ghetto' vorbereitet, wie sie in bestimmten Teilen der Jugendkultur gepflegt wird; jedoch wird die damit aufgebaute Erwartungshaltung an den gesellschaftskritischen Tiefgang des Romans in den weiteren Kapiteln nur unzulänglich erfüllt. Nele ist ein großer Fan der Rapperin und selbsternannten "Gangstabraut" oder "Ghetto-Bitch" "Lisa T."; nach dem Unfalltod ihres Vaters muss sie ihr Leben im Hamburger Reichenviertel Poppenbüttel gegen das Leben in der Hamburger Hochhaussiedlung Steilshoop eintauschen. Ein Umzug aus der Welt der Reichen und Schönen in die Welt des von "Lisa T." romantisierend besungenen Ghettos also. Den Freunden erzählen Nele und ihre Mutter, dass sie ein neues Leben in New York anfangen, die ‚Schande, nun im Assi-Viertel der Stadt zu leben', möchten sie niemanden offenbaren. Parallel zur Geschichte der 16-jährigen Nele werden die Erlebnisse ihres zwei Jahre jüngeren Bruders Timo erzählt, der sich im Gegensatz zu Nele als Nerd und Hard Rock-Fan in Poppenbüttel nie wohl gefühlt hatte, nicht zuletzt weil er unter dem Bullying eines Schulkameraden zu leiden hatte. Während es Nele zunächst schwer fällt, sich in der neuen Umgebung zurecht zu finden, scheint Timo gleich tolle neue Freunde gefunden zu haben. Dass er damit die falsche Wahl getroffen hat, wird sich im Verlauf der Handlung herausstellen.

Der Jugendroman will die Gegensätze zwischen den wohlhabenden oder reichen und den armen Schichten unserer Gesellschaft inszenieren. Dabei ist Gernot Gricksch deutlich bemüht beiden Seiten gerecht zu werden, so gibt es in seinem Figurenarsenal bei den Vertretern beider Schichten jeweils überaus edle, aber auch abgrundtief verdorbene Charaktere. Allerdings bleibt durch diese ‚political correctness' die Glaubwürdigkeit der Figuren und ihres Handelns auf der Strecke. Allgemein fehlt es der Figurenzeichnung an Tiefe, so werden etwa große Freundschaften und unsterbliche Liebesbeziehungen allzu schnell geschlossen. Ebenso wird das erkennbare Ziel, mit Vorurteilen aufzuräumen, weit verfehlt. Vielmehr bedient sich der Roman in hohem Maße gängiger Klischees und ist sowohl in der Darstellung der High Society als auch in der Inszenierung des Proletariats wie des Prekariats, bei dem mit starken Kontrasten gearbeitet wird, äußerst holzschnittartig.

Überdies ist die Handlung mit aktuellen Problemen überladen: Arm-Reich-Gefälle, Radikalisierung und Gewalttätigkeit der Jugend bis hin zum Amoklauf, Rechtsradikalismus, Umgang mit fremden Kulturen und Religionen, Zwangsverheiratung von Minderjährigen, um nur einige zu nennen. Die Problemlösung erfolgt dann freilich allzu schnell: Eklatante Vertrauensbrüche werden quasi sofort verziehen, als ‚lebensbedrohlich' eingestufte Situationen finden eine rasche positive Auflösung, auch die Anpassung Neles (und ebenso ihrer Mutter) an ihr neues Leben erfolgt quasi in Rekordzeit. Das ‚Friede-Freude-Eierkuchen'-Ende des Romans, bei dem schlagartig alle Probleme gelöst sind, ist wohl als die größte Schwäche des Romans zu werten.

Sicherlich bedient der Roman jugendliche (Lese-)Bedürfnisse der Auseinandersetzung mit zentralen Fragen menschlichen Zusammenlebens (im Vordergrund das Gefälle von Arm und Reich und das Bedürfnis, einer sozialen Gruppe zugehörig zu sein). Und auch der locker-leichte Stil und die (an mancher Stelle etwas aufgesetzt wirkende) Orientierung an der ‚Jugendsprache des Ghettos' wird jugendlichen Lesewünschen gerecht. Dennoch kann hier aufgrund der aufgezeigten Mängel nur eine äußerst eingeschränkte Leseempfehlung gegeben werden.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von WiBe.
Veröffentlicht am 01.07.2016

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