Fugazi Music Club

Autor*in
Podelec, Marcin
ISBN
978-3-7704-5520-1
Übersetzer*in
Sawicki, Jakub
Ori. Sprache
Polnisch
Illustrator*in
Podelec, Marcin
Seitenanzahl
239
Verlag
ehapa
Gattung
ComicTaschenbuch
Ort
Köln
Jahr
2016
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
22,99 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

In der Graphic Novel »Fugazi Music Club« erinnert der Comickünstler Marcin Podolec (*1991) an den gleichnamigen Warschauer Jugendclub, der Anfang der neunziger Jahre von einigen Liebhabern westeuropäischer Rockmusik aufgebaut und betrieben wurde. Der Erfolg des Clubs leitet zugleich seinen eigenen Niedergang ein, da die organisierte Kriminalität ein Auge auf ihn geworfen hat.

Beurteilungstext

Was ist Kultur? Für die Sachbearbeiterin der Wohnungsbaugenossenschaft, bei der die Betreiber des Fugazi Music Clubs über eine Weiternutzung der Clubräume verhandeln, ist die Sache klar: »Kultur besteht aus dem Weitergeben des Gebets von einer Generation zur nächsten.« In einem Land wie Polen, wo beinahe 90% der Einwohner dem römisch-katholischen Glauben anhängen und zu großen Teilen auch praktizieren, mag das keine überraschende Aussage sein. Was ist aber, wenn die ›nächste Generation‹ an einer solchen ›Weitergabe des Gebets‹ nur wenig Interesse verspürt?
Der zwanzigjährige Waldek und seine Freunde sind im Zuge der demokratischen Wende in Polen 1989 jedenfalls in ultimativer Aufbruchstimmung. Sie verspüren eine Lust am Ausprobieren und Experimentieren mit alternativen Musik- und Lebensstilen: Sex & Drugs & Rock 'n' Roll, was Lebensmotto und -realität der westeuropäischen und nordamerikanischen Jugend der sechziger/siebziger Jahre war, soll nun schleunigst in Warschau nachgeholt werden. Eine solche Definition von Kultur wie die obige stößt sie zwar vor den Kopf, lässt sie aber auch nicht mutlos werden. Mit viel Engagement und Kreativität gelingt es ihnen, ein altes Kino zum neuen Domizil des Fugazi umzubauen, größer und schöner als es die alten Clubräume hergaben. Sie gewinnen die angesagtesten Acts insbesondere der polnischen Rockmusikszene für Auftritte in ihrem Club, unbekanntere Bands können sich durch ihre Gigs im Fugazi wiederum einen Namen machen. Doch mit der zunehmenden Bekanntheit und des großen Andrangs bei Veranstaltungen kommen auch die Probleme, insbesondere die von rechtsextremen Skinheads angezettelten Schlägereien mit den anderen Konzertbesuchern. Das Engagement von Sicherheitspersonal ist hierfür ein (kostspieliger) Ausweg, doch gibt es ein Problem, bei denen die muskelbepackten Männer der Security nicht helfen können bzw. wollen: Längst hat der – nicht zuletzt auch ökonomisch – aufstrebende Fugazi Music Club bei der polnischen Mafia Begehrlichkeiten geweckt. Für die jungen Betreiber stellt sich die Frage, ob ein Weitermachen unter solch gefährlichen Umständen noch verantwortbar ist.
Der 1991 geborene Filmemacher und Autor des Comic Marcin Podolec mit »Fugazi Music Club« einerseits einen sehr wertvollen Beitrag zur Kultur- und Musikgeschichte Polens in der unmittelbaren Nachwendezeit verfasst. Wir erfahren einiges über die damaligen Möglichkeiten und Schwierigkeiten, sich in der Warschauer Kulturszene einzubringen und dies im besten Falle noch finanziell einträglich zu gestalten. Andererseits liest sich der Comic stellenweise wie ein Krimi – so fängt er z.B. auch an – und fesselt den Leser an die Story, deren Ausgang man mit Ungeduld entgegensieht. Die Figuren sind überwiegend cartoonhaft gezeichnet, wobei der Autor bei manchen Künstlern eine Ausnahme macht und in einen realistischeren Zeichenstil überwechselt. Ob zum Zwecke der Wiedererkennung durch den Leser oder als visuelle Hommage an den bzw. die betreffenden Künstler sei dahingestellt. Jedenfalls spielt Podelec immer wieder mit den Möglichkeiten und Formen des grafischen Erzählens, er lässt z.B. die Figuren aus den Rahmen der Panels hier und da sich selbst gegenüber bzw. nebeneinander treten. Seine besondere Versiertheit für die Gestaltung architektonischer Hintergründe zeigt sich in vielen – manchmal auch doppelseitigen – Bildern, in denen etwa die Hochhäuser der Warschauer Plattenbausiedlungen mittels verwischter Pastellkreide wie durch einen grauen Nebelschleier hindurch scheinen und dabei auf eigenartige Weise sehr realistisch und plastisch wirken.

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Diese Rezension wurde verfasst von mz; Landesstelle: Sachsen-Anhalt.
Veröffentlicht am 06.12.2016