Freaks in geheimer Mission

Autor*in
Larwood, Kieran
ISBN
978-3-551-52050-0
Übersetzer*in
Böhmert, Frank
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
281
Verlag
Carlsen
Gattung
Ort
Hamburg
Jahr
2013
Lesealter
10-11 Jahre12-13 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
15,99 €
Bewertung
eingeschränkt empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

London, 1851, das Jahr der legendären Weltausstellung im Chrystal Palace: Sheba, ein ""Wolfsmädchen"", fristet ihr Dasein als Attraktion in einer kümmerlichen ""Freakshow"" im viktorianischen England. Als sie an einen Londoner Freakshowbesitzer verkauft wird, geraten sie und ihre neuen Kollegen in eine abenteuerliche Geschichte um verschwundene Kinder und Monster-Apparaturen. Am Ende hilft das Sheba sogar, das Rätsel ihrer Herkunft zu lösen.

Beurteilungstext

Der Autor geht aus von den im 19.Jahrhundert verbreiteten ""Freak-Shows"", in denen nicht nur in Großbritannien Jahrmarktbesucher Lebewesen bestaunen konnten, die wie eine ""Laune der Natur"" (freak of nature) wirkten: besonders große oder besonders kleine, besonders dicke und besonders dünne Menschen, siamesische Zwillinge, Tier mit fünf Beinen, Tiere (und Menschen) aus außereuropäischen Ländern und eben ""Wolfsmenschen"". Die Wolfsmenschen sind und waren übermäßig behaarte Menschen, die an der Krankheit Hypertrichose leiden, aber keineswegs wie Sheba in diesem Buch über einen gesteigerten Geruchssinn oder über krallenartige Finger verfügen. In der Gestaltung der zentralen Protagonistin zeigt sich bereits, dass der Roman kein historischer, sondern eher ein fantastischer ist, auch wenn die Fantastik nur dienende Funktion hat.

Der Einstieg der Geschichte ist überzeugend: Atmosphärisch dicht schildert der Autor Shebas kümmerliches Dasein im einem Verschlag am Ende der Seebrücke eines wenig erfolgreichen Badeortes. Man sieht jetzt noch darüber hinweg, dass sie sich in all dem Dreck und Elend, in der Verwahrlosung und Misshandlung grundlegende Menschlichkeit, Verantwortungsgefühl für das zweiköpfige Lamm und Neugier auf Lesestoffe bewahrt hat. Sie ist ja bereits ein fantastisches Element, da sie nicht nur übermäßig behaart ist wie die realen ""Wolfsmenschen"", sondern über ""wölfische"" Eigenschaften verfügt. Und ihre ""Kultiviertheit"" mag sich aus ihrer Kindheit erklären - Erinnerungen an ein großes Haus, in dem sie anscheinend eine glückliche und behütete Zeit erlebt hat, tauchen immer wieder auf.

Nachdem sie an den Londoner Freak-Show-Besitzer Plumscuttle verkauft wurde, trifft sie bei ihm auf eine Truppe anderer Freaks, die sich tatsächlich alle trotz Elend, Schmutz, Hunger, Krankheit und Misshandlung diese ""Kultiviertheit"" bewahrt haben - woher auch immer sie diese überhaupt hatten. Sie sind fähig zu Zuneigung, Verlässlichkeit und Verantwortung und nehmen Sheba fast liebevoll in ihre Truppe auf. Damit baut der Autor einen Widerspruch auf zwischen der sehr realitätsnah geschilderten elenden, stinkenden Umgebung in Londons East End im 19. Jahrhundert und der inneren Haltung der Protagonisten. Dies setzt sich fort, als ein Elternpaar aus der ärmsten Bevölkerungsgruppe, den ""Schlicklerchen"", die im giftigen Ebbe-Schlick der Themse nach verkäuflichen Dingen suchen, eines ihrer vielen Kinder vermisst und die Freaks um Hilfe bittet. Auch diese Eltern sind unvorstellbar liebevoll, gutmütig und besorgt gezeichnet, obwohl sie ohne jede Perspektive unter für uns kaum vorstellbaren Bedingungen leben.

Aus der Suche nach dem Mädchen Till und weiteren vermissten Kindern der Armen entwickelt sich eine krimiartige Handlung: Ein künstliches Monster, das bei Ebbe aus dem Schlick der Themse auftaucht, entführt die Kinder. Der Autor bemüht Motive und Elemente des Steam-Punk, die hier wie in vielen anderen Steam-Punk-Werken aber keinerlei echte Funktion haben, sondern lediglich der Effekthascherei dienen. Steam-Punk ist eine Verbindung von historischem und fantastischem Roman: In einer meist krimiartigen Handlung in einem viktorianisch anmutenden London sind Mechanik und die Technik der Dampfmaschinen weit entwickelt. Der Steam-Punk korrespondiert mit der Technikbegeisterung der Briten zur Zeit der Weltausstellung, die selbst zum Schauplatz eines Teils der Handlung wird. Entgegen der tatsächlichen Weltausstellung ist eines der Exponate ein elektromagnetisches Gerät von Faraday, vielleicht der Faraday-Rotator. Real hat Faraday bei der Auswahl der Exponate mitgewirkt, nicht aber selber ausgestellt.

Eine böse Frau lässt Kinder entführen und die Faradaysche Maschine stehlen, weil sie aus den Hirnen der lebenden Kinder mit Hilfe der Maschine eine Salbe herstellen will, die sie dauerhaft von einer Entstellung im Gesicht heilen kann. Diese böse Frau entpuppt sich letztlich als frühere Kinderfrau von Sheba, die deren Erinnerungen an die Kindheit im schönen, großen Haus bestätigt.

Der Autor hat hier leider zu viel gewollt und vermischt. So wirkt die Handlung immer wieder fast absurd, manchmal erscheint die Freak-Truppe wie eine Gruppe von Kinderdetektiven, wenn sie durch London laufen, während ihr Besitzer seinen Rausch ausschläft. Schade um den schönen Anfang!

Kieran Larwood ist Vorschullehrer auf der idyllischen Isle of Wight. Mit Freaks, seinem Erstling, hat er den Times/Chicken House-Literaturwettbewerb gewonnen. Was fragen lässt, wie die anderen eingereichten Manuskripte waren…

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von gst.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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