Fragen an Europa – Was lieben wir? Was fürchten wir?

Autor*in
Grotian, GesineSchädlich, Susan
ISBN
978-3-407-81245-2
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
140
Verlag
Gattung
Buch (gebunden)
Ort
Weinheim
Jahr
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
16,95 €
Bewertung
nicht empfehlenswert

Teaser

Das Buch ist eine Sammlung von 60 Fragen zu Europa, die von Jugendlichen stammen. Die Autorinnen sammelten die Fragen, recherchierten, wählten 60 Fragen aus und bearbeiteten sie wiederum im Austausch mit den Jugendlichen.Jede dieser Fragen wird auf einer Doppelseite graphisch behandelt. Oft verzichten die Autorinnen ganz auf Texte, manchmal geben sie kurze Erläuterungen, selten auch längere Texte, die jedoch nie den Rahmen der Doppelseite sprengen.

Beurteilungstext

Die 60 Fragen sind im Inhaltsverzeichnis 5 Kategorien zugordnet: „Was sind wir? Woher kommen wir? Was wünschen wir? Was lieben wir? Was fürchten wir?“ Danach sind die Fragen ungeordnet, tendentiell zu Beginn grundlegender und klassischer (etwa „Wie groß ist Europa im Vergleich?“), zum Ende hin spezieller (z.B. „Wer gibt wie viel für Klamotten aus?“)
Da die Kategorien nach dem Inhaltsverzeichnis keine Rolle mehr spielen, fehlt beim Durchblättern von vorn nach hinten ein Zusammenhang. Es ist so eine lose Ansammlung von Fragen und graphischen Antworten. Die Auswahl der Fragen, die die Autorinnen selbst vorgenommen haben, bleibt unverständlich. Es erschließt sich oft nicht die Relevanz der Frage.
Etwa wenn der Frage nachgegangen wird, was Freundschaft („in Europa und auf der ganzen Welt“) ausmacht. Assoziationen (z.B. „Durch dick und dünn gehen“) in Herzform gesetzt vor zwei Händen, die ebenfalls ein Herz bilden. Dazu die Frage, ob menschliche Freundschaften und Bündnisse zwischen Staaten ähnlich funktionieren.
Die Zusammensetzung der Fragen liegt (großteils) in der Konzeption des Buches, bringt aber den Nachteil mit sich, dass viele weiterführende und tatsächlich relevante Fragen außen vor bleiben. Wenn man Jugendliche fragt, was sie zu Europa gerne wissen wollen, reproduziert dies natürlich das Bisherige. Ländervergleiche wie „Wo scheint am meisten die Sonne“ (in Europa) zeigen dieses Problem.
Leider liegt damit die Konzeption des Buches im Widerspruch zur Intention, die im Vorwort formuliert wird. „Was bedeutet Europa für uns?“ ist dort die Frage und zeigt, dass die Autorinnen auf der Suche nach einer Charakterisierung Europas sind. Diese Suche brechen sie aber schnell ab, denn die Jugendlichen haben offenbar nicht gefragt, was Europa bedeutet und nicht, was europäische Werte sind. Die Fragen „Was ist Pluralismus?“ und „Was macht Europa aus?“ sind in dieser Hinsicht die Lichtblicke, werfen aber gleich die nächste Schwäche des Buches auf.
So wird die zweite beantwortet mit „Peace-Zeichen, Regenbogenflagge, Weiße Flagge, Papierkraniche (als Friedensfalter), Victory-Zeichen und die Friedenstaube“. Die Motivation, Europa als etwas Positives zu besetzen, ist legitim und richtig, wird aber durch eine so unkritische Haltung konterkariert. Denn Selbstkritik sollte Europa sicher eher ausmachen als unkritischer Eurozentrismus („Europa ist heute der friedlichste Kontinent der Welt“).
Diese unkritische Haltung wird fast ärgerlich, wenn es bereits auf Seite 5 um Kolonialismus geht und dabei eben nicht um die schwerwiegenden Folgen des Kolonialismus, das Elend der Kolonialisierten und die Kriege und Konflikte, die bis heute immer wieder ausbrechen. Es ist stattdessen von den „großen Entdeckern“ die Rede, die „in Erdteile [vorstießen], von deren Existenz sie zuvor allenfalls eine vage Ahnung hatten.“ Auch hier gibt es einen Lichtblick, nämlich die Frage, ob Europa „zur Festung“ wird. Diese und weitere aktuelle Streitfragen würden eher zur Beschäftigung und vielleicht positiven Identifikation mit Europa führen als Fragen wie „Welches Land ist das beste im Fußball“, „Welcher Staat ist am größten?“ oder „Wer isst am meisten Schokolade?“ (jeweils Vergleiche europäischer Länder untereinander!).
Die Autorinnen drücken sich auch um Spannungsfragen wie die nach dem Verhältnis von Europäischer Integration und Nationalismus. Symbolhaft dafür steht die Antwort auf die Frage „Wie bunt ist Europa?“: Es werden die Flaggen der europäischen Staaten nach Farben sortiert.
„Das Puzzel unserer Identitäten“ als persönliche Antwort auf die Frage „Wer bin ich, wer bist du?“ stellt hierzu den Lichtblick dar.
Insgesamt ist die Intention des Buches zu loben. Auch die graphische Umsetzung gefällt.
Die Schwächen des Konzeptes und die unkritische Haltung vermögen aber die vorhandenen Lichtblicke nicht aufzuwiegen.

Martin Jähnert

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Jt; Landesstelle: Thüringen.
Veröffentlicht am 04.07.2019

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