Esther aus Afghanistan - Emil aus Deutschland

Autor*in
ISBN
978-3-9814691-5-8
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Bauer, Susie
Seitenanzahl
36
Verlag
Karoline Kinderbuch
Gattung
BilderbuchBuch (gebunden)Sachliteratur
Ort
Bad Wimpfen
Jahr
2017
Lesealter
6-7 Jahre14-15 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
18,90 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Am Vergleich zur Flucht aus den Ostgebieten 1945 und der aus dem Nahen Osten 2015 wird uns deutlich, wie nah uns die Ereignisse sind. Der nunmehr alte Mann trifft auf die junge Afghanin, seine Geige und ihr Keyboard finden sofort einen gemeinsamen Grund, auf dem sich Vertrauen bauen kann.

Beurteilungstext

Das Wendebuch lässt sich von vorn oder - gedreht - von hinten lesen. Die eine Geschichte handelt von Emil, die andere von Esther. Beide treffen sich in der Mitte. Viel Glück im Pech und die Macht der Musik machen das möglich.
Beginnen wir mit Emil. Er berichtet von seiner Flucht aus Ostpreußen. Sein Vater ist als Soldat zurückgekehrt, ihm fehlt die linke Hand. "Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie schlimm der Krieg wütet", berichtet er, und: "Wir müssen das Nötigste packen und über das Haff fliehen." Fliehen? Den Hof verlassen, in den Westen zu den Verwandten fliehen? Das ist Verrat!
Wir erleben die Flucht in kurzen Zeitaufnahmen, das Misstrauen der Bewohner im Westen, gehässige Sätze wie: "Haut ab, Flüchtlingsbrut." Emils Geschichte dauert 8 Seiten lang. Sie erzählt von der Flucht über die Ankunft, den Aufbau der Häuser und Wege, Emils Maschinenbaustudium, die Hochzeit, seine Kinder, seine Pensionierung bis zum Zusammentreffen von Esther.

Der Text ist - ungewöhnlich für ein Bilderbuch - auf der rechten Seite gedruckt und - blass leicht andersfarbig als der blassgelbe Karton - großzügig mit ‚deutscher' Sütterlinschrift der Anfangssätze versehen. Oma und Opa als Vorleser können ihre Enkeln vielleicht darauf hinweisen, eventuell sogar selbst einige Wörter schreiben.
Wenige Sätze, drei, vier Zeilen des zweispaltig gesetzten Textes, sind in Kapitälchen gesetzt. Sie beziehen sich unmittelbar auf die Bilder.
Diese sind ganzseitig, haben keinen Rand. Oft ist die Fläche beherrscht von Aufgebrochenem, Zerstörtem, Unkenntlichem, auf oder in das Aspekte, Beispiele gesetzt werden: kubische Häuserzeilen, ein fast japanisch anmutender Olivenbaum, eine verlorene Puppe, nur durch die Farbtupfer erkennbare Menschen auf einem kleinen Lastwagen - Trümmerfrauen und -kinder vor zerbombter Häuserkulisse, ein Pferdefuhrwerk, das im Wasser versinkt, während in einem aufbrausenden Himmel Flugzeuge ihre Bomben abwerfen, ein alter Mann mit Geige an der Gartenmauer und - kopfüber - ein junges Mädchen mit lockerem Kopftuch und einem Keyboard mit vier Oktaven.

Esthers Geschichte ist ähnlich aufgebaut wie die von Emil. Ihre kartonierten Seiten sind im blassen Ocker gehalten, statt Sütterlin sind arabische Schriftzeichen zu sehen. Das Erlebnis ist nicht ‚von damals', sondern jetzt, heute, aber doch sehr ähnlich. Beide Familien wollen zu Verwandten im Westen Deutschlands, beide erleben viel Elend, Gefahr auf der Flucht, die jederzeit auch tödlich enden könnte. In der Mitte treffen sich der alte Mann und das junge Mädchen.

Ja, das Buch ist leicht plakativ oder ‚pädagogisch' aufgebaut. Die Botschaft ist sehr deutlich. Das ist aber kein Vorwurf, sondern eher ein Aufruf, sich genauer zu informieren, denn der Text geht in großen Sprüngen voran, die eine Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte ebenso erfordert wie die des weltweit aktuellen Zustands der Welt.
Die Wahl des ‚Bilderbuchs für Kinder ab 8 Jahre' (Verlagsangabe) erscheint allerdings schwierig (... ich bin zu alt für ein Bilderbuch. Das ist 'was für Kleine ...). Besser erscheint uns das Vorlesen für Kinder ab 5 Jahre oder das Selbstlesen für deutlich ältere Kinder ab vielleicht 13 Jahre. Da darf man Bilderbücher auch wieder gut finden.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von uhb.
Veröffentlicht am 01.01.2017