Erkennen

Schlagwörter

• Gefühle
• Kindheit
• Kunst
• Natur

Teaser

Ein Kind lernt durch die intensive Begegnung mit einer Künstlerin, das Wesentliche in der Welt und in sich selbst zu erkennen.

Beurteilungstext

Für das Mädchen ist es ein ganz gewöhnlicher Sommertag, an dem es eine Malerin trifft, die es darauf anspricht. "Ganz okay", reicht der Künstlerin nicht als Antwort. Vögel, Bäume, Himmel - sie alle machen den Tag zu einem ausgezeichneten Tag, der Freude am Leben zeigt. Das macht neugierig. Als die Kleine auf das Bild schaut, das auf der Staffelei steht, ist sie davon überzeugt, in der alten Dame eine Künstlerin vor sich zu haben. Doch die hält sich eher für eine Beobachterin, die nur Dinge festhält, die sie sieht. Das Mädchen ist fasziniert: Auf der Leinwand ist ein Drachen zu sehen und ein prächtiges Schloss. Der Betrachter erkennt wie das Mädchen staunend, dass sich der Drachen in den Wolken und das Schloss in einer Tannengruppe erkennen lassen. Die begeisterte Malerin lehrt ihre interessierte Schülerin, Dinge in der Natur zu entdecken, die sie bisher nicht gesehen hat. Das Mädchen lernt, seine Sinne zu sensibilisieren, Augen und Phantasie zu schulen. Diese Erfahrungen berühren es tief und schaffen eine enge Beziehung zu seiner Lehrmeisterin. Doch mit dem Erkennen der Natur ist es der Künstlerin nicht genug. Sie lässt das Mädchen wissen, dass jeder einzelne Mensch es wert ist, erkannt zu werden, da er einzigartig und von Bedeutung ist. Eine letzte Stufe seiner Lehre erfährt das Mädchen, als es seine Meisterin eines Tages mit geschlossenen Augen vorfindet. Es gibt auch noch die inneren Augen, die Vorstellungskraft - eine der wichtigsten Arten zu sehen und zu erkennen. Die wunderbare Begegnung mit der einfühlsamen alten Künstlerin hat dem Mädchen etwas Bleibendes mit auf seinen Lebensweg gegeben: Wer interessiert und neugierig ist, wird immer Neues, Erstaunliches über sich selbst , andere Menschen und die Welt der Natur entdecken und erkennen. Der einfühlsame, bewegende Text ist von der Illustratorin in zauberhafte Bilder umgesetzt worden. In zarten Farben zeigt sich eine Anlehnung an Bilder, wie wir sie aus Japan kennen. Auch die beiden Protagonisten sind diesem Kulturkreis zuzuordnen. Der Betrachter dieses wunderbaren Buches kann den Einblicken der Künstlerin folgen: Bei aufmerksamem Hinschauen wird er in den Illustrationen überall geheimnisvolle Wesen entdecken: Da erscheint eine wilde Pferdeherde in den Wolken, ein andermal sind es Löwen, die sich am Himmel tummeln, da springt ein Wal aus den Wolkenwogen, in Wiesenwellen tummeln sich Fische, in der Berggruppe ruhen drei Bären. Besonders viele Entdeckungen kann der aufmerksam Schauende in den Wurzeln und knorrigen Stämmen der Bäume machen. Es lohnt sich, das Erkennen zu üben. Und das Anliegen des Buches würde sich erfüllen, wenn es seine Leser anregen würde, mit ebenso wachen Augen durch das eigene Leben und die Natur zu gehen. Für mich ist dieses außergewöhnliche Bilderbuch eine bibliophile Kostbarkeit für alle Leser, ob klein oder groß, die sich darauf einlassen, die Welt zu erkennen.