Engel von Berlin

Autor*in
Johannknecht, Doris Meißner
ISBN
978-3-401-02723-4
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
168
Verlag
Arena
Gattung
Ort
Würzburg
Jahr
2005
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
5,90 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Berlin: Zwei Leben, zwei Welten kontrastreich und vollkommen anders. Der Konsenz aber sehr ähnlich, fast gleich. Matti, ein Junge aus zerrütteten Verhältnissen, der permanent am kriminellen Limit surft und Teresa aus “besten Kreisen”, alleingelassen. Die Mutter will nur das Beste! Aber was ist das Beste für Teresa? Wie meistern die Beiden ihr Leben? Gelingt es ihnen, sich eine Zukunft aufzubauen?

Beurteilungstext

“I belife,I can fly...” seinem jetzigen Leben zu entfliehen (entfliegen) und einzutauchen in eine bessere Welt, dass möchte Matti. Er stammt aus einer Familie, die eigentlich keine mehr ist, er trägt Verantwortung für die er viel zu jung ist; irgendwie muss er überleben! Straßenstrich, Gewalt, Wut und innere Zerissenheit, Ziele die sich nicht verwirklichen lassen und helfende Hände die ihn in Regeln zwingen möchten, die er nicht einhalten kann. Ein Karusell aus eigenen Wünschen, der nackten Realität, den gesellschaftlichen Regeln und seinem jugendlichen Intellekt.
Niemand ist da, der ihm geben kann was er braucht - eine intakte Familie, in der er sich entwickeln und entfalten kann. Eine Familie, die ihn als das behandelt was er ist- ein unreifes Kind, das sich zum Erwachsensein mausert.
Teresa ganz anders. Umgeben von Luxus, Freiheit und unbegrenzten Möglichkeiten. Aber nur solche, die sich im Rahmen des “gehobenen Niveaus” bewegen. Vorprogrammiert ihr Lebensweg; ABI... auf den Spuren ihrer Mutter und ihres Stiefvaters “Wildhasenschulter mit Maronenpüree, Champagnersorbet mit Kokosnussparfait”,- übersichtlich aber edel.
Teresa bricht aus dieser heilen Welt aus, weil ihr das Wichtigste fehlt, die wirkliche Liebe und Zuneigung ihrer Mutter, die sich nicht in Geld messen lässt. Nicht selbstverständliche, nicht ausgesprochene Erwartungen erdrücken Teresa. Sie sucht Verständnis gegenüber ihren eigenen Wünschen und Zielen. Das Fehlen dieser Innigkeit und tiefen Verbundenheit zwischen Mutter und Tochter, treibt Teresa schließlich dazu, ungefragt ihre eigenen Wege zu gehen. Sie tut diese Schritte sporadisch, ziellos, getrieben von einer Emotion die sich um die gegensätzliche, ihr unbekannte Welt von Matti dreht. Sie lernt mit Matti eine ganz andere Welt kennen. Schnell löst sie mit dem gestohlenen Geld ihrer Mutter, die dringendsten Probleme Mattis. Sie fühlt sich dabei nützlich und hat eine wirkliche, unmittelbare Ausfgabe. Sehr deutlich spürt man hier aber auch die Parallelen der zwei unterschiedlichen Lebenssituationen. Hier das gestohlene Geld, da der Straßenstrich, hier die sichtbar zerrüttete Familie und auf der anderen Seite die, in Wohlstand verpackte,Familie die keine ist.
Mich haben die Gedankengänge der Beiden sehr berührt. Beide versuchen zu verstehen, was mit ihnen geschieht, sie erleben Höhen und Tiefen, können aber die Folgen ihrer Handlungen nicht abschätzen. Unweigerlich folgt ein Crash dem nächsten. Sie haben Zukunftsvorstellungen und Träume, sind aber nicht in der Lage diesen Weg konsequent zu gehen.
Gescheitert ist auch das soziale System, denn kein Sozialarbeiter ist so tief in die Welt des Jungen eingedrungen, um zu begreifen, was wirklich nicht mit ihm stimmt und wo seine wirklichen Probleme liegen. Die Hilfe endet immer an der absolut falschen Stelle. Oft bedarf es eben nur eines Menschen, der nicht wegschaut, nicht vorverurteilt, um ein Leben in neue Bahnen zu lenken. Matti hatte in der Großmutter diese rettende Figur aber Teresa, die eigentliche Enkelin, fand keinen Anker. Sie flüchtete aus der harten Realität! Das geht so einfach! So schnell kann ein Mensch die Lust am Leben verlieren.
Für mich war das erschütternd und ernüchternd. Menschen stehlen sich aus dem Leben! Warum? Unfassbarkeit! Schuldgefühle! Schuldzuweisungen! So geschehen bei Teresa! Und wie reagiert die Öffentlichkeit bei Matti? Was hätte man wohl bei Matti gesagt? Ich wage es kaum zu formulieren aber mit Sicherheit wäre der Satz geprägt worden: “Es musste ja so kommen, bei den Eltern und der war doch sowieso schon kriminell!”
Dieses Buch müsste Schulliteratur sein, dann könnte auch ein “Matti” lesen, dass es eine Zukunft gibt und das es sich lohnt, an sich zu glauben. “Immer wieder kommt ein neuer Morgen” oder besser “die Hoffnung stirbt zuletzt!”
Und für die “Teresas” dieser Welt?
Das es sich lohnt aufzustehen, aufzubegehren und für seine Ideale zu kämpfen. Das jeder für sich selbst verantwortlich ist und Flucht aus der Realität nur vorübergehend Erleichterung bringt.
Dieses Buch war für mich aber auch ein Gewissensappell. Genauer hinzuschauen, cooles Gehabe, Aggressionen, Ängstlichkeit, Aufbegehren jeglicher Art, bewusster wahrzunehmen und zu hinterleuchten. Ebenso aber auch eigene Erwartungen und Handlungen zu hinterfragen und nicht selbstverständlich auf andere zu übertragen.
Was mich am meisten beschäftigt hat, war die Frage: “Wie reagieren Jugendliche auf dieses Buch?” Sicherlich, es liest sich sehr gut, es ist temporeich und zeitgemäß. Es verliert sich nicht in Nebensächlichkeiten und die Erzählweise, schafft eine sehr gute Bezugsebene. Doch trifft es wirklich mitten ins Herz? Ich meine - ja! Vielleicht hilft dieses Buch Verständnis zu wecken, Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe zu entdecken, zu mindest aber die Menschen für diese Thematik zu sensibilisieren. Ein großes Ziel aber auch ein großes Buch! “Der Engel von Berlin” -sollten wir nicht auch ab und zu ein “Engel” für andere Menschen sein. Nur ein Wort an der richtigen Stelle und nicht weggeschaut! Vielleicht wäre die Welt dann ein kleines bisschen besser!

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von MoKr.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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