Eine schöne Reise

Autor*in
Majewski, Mark
ISBN
978-3-946401-10-0
Übersetzer*in
Cazier, Julie
Ori. Sprache
Französisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
28
Verlag
TintenTrinker Verlag
Gattung
BilderbuchBuch (gebunden)Sachliteratur
Ort
Köln
Jahr
2017
Lesealter
8-9 Jahre10-11 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Klassenlektüre
Preis
18,00 €
Bewertung
empfehlenswert

Teaser

Das philosophisch anmutende Bilderbuch beschreibt eine ungewöhnlichen Reise, die keinen Beginn und kein Ziel zu haben scheint. Ein junger Mann, mit einem Koffer in der Hand, steigt mitten im Nirgendwo aus einem Zug, der außer ihm keine Fahrgäste hat. Er nimmt den einzig möglichen Weg und weiß weder, wohin dieser führt, noch was der Inhalt seines kleinen Koffers ist. Er ist sehr lange unterwegs und erlebt einiges auf seiner Wanderung.

Beurteilungstext

Wer möchte nicht einmal in seinem Leben von einem Ende des Horizonts zum anderen unterwegs sein? Darüber hinaus kaum Ballast mit sich schleppen und dort aus dem Zug steigen, wo es ihn gerade gelüstet? Diese und weitere philosophische Fragen kommen dem Leser in den Kopf, wenn man sich mit dem Buch "Eine schöne Reise" von Marc Majewski auseinandersetzt. Dass es sich um eine schöne Reise handelt, erschließt sich dem Leser zunächst nicht. Denn schon das erste Bild - der Reisende steht mit einem kleinen Koffer auf dem menschenleeren und wirklich einsamen Bahnsteig - läßt den Leser stutzen. Aus dem Text erfährt man zudem, dass der Zug keine weiteren Fahrgäste hat.
Einige Seiten später heißt im Text: Er war schon lange unterwegs. Tatsächlich muss der Mann schon sehr lange unterwegs sein, denn er hat vergessen, was sich in seinem einzigen Gepäckstück befindet und wo der Schlüssel dazu ist.
Im weiteren Verlauf der Geschichte erkennt man, dass der Kofferträger kein Ziel hat, sich dennoch auf den einzigen Weg durch den unbewohnten Landstrich macht. Auf seiner Wanderung durchquert er unermessliche Ebenen, dunkle Wälder und überwindet rauschende Bäche, ohne von diesem einen Weg abzukommen. Zum Schlafen und Ausruhen legt es sich dorthin, wo er sich gerade befindet. Als er auf einen Fremden trifft, stellt er fest, dass auch dieser einen Koffer mit sich führt. Von dem Fremden erfährt er, in welche Richtung er gehen muss um in die Stadt zu kommen. Zunächst bleiben die beiden Männer noch lange stillschweigend beieinander sitzen und erfreuen sich an der Tatsache nicht mehr einsam zu sein. Unser Reisender macht sich wild entschlossen auf den Weg und muss feststellen, dass dieser noch sehr lang ist. Auch wenn er abends manchmal furchterregende Schatten sieht, die aussehen wie Gespenster, führt er am nächsten Morgen seinen Weg mutig fort. Als er in der Ferne endlich die Lichter der Stadt sieht, glaubt er sich bald am Ziel seiner Reise und hofft, dort den verlorenen Schlüssel für den Koffer zu finden.
Der reisende Mann ist allerdings bald vom Lärm der Stadt und den vielen Menschen genervt. Eine Feststellung überrascht ihn: die Passanten auf den Straßen tragen einen Koffer bei sich, der dem seinen ähnlich ist und alle scheinen, wie er, den entsprechenden Schlüssel zu suchen. Seine anfängliche Begeisterung beim Anblick der Stadt schwindet schnell. Statt dessen breitet sich ein Gefühl der Einsamkeit aus, welches das Empfinden in der Wildnis noch übertrifft. In den Tagen, die er in den Menschenmengen der Stadt unterwegs ist, fühlt er sich kleiner und kleiner werden. Auf der Suche nach etwas, das sich immer weiter zu entfernen scheint, bewegt es sich schneller und schneller. Dann kommt irgendwann der Tag, an dem er dem Leben in der Metropole entfliehen muss. In einem kleinen ruhigen Park setzt er sich auf eine Bank, stellt den Koffer neben sich und schließt die Augen. So in Gedanken und wohligem Empfinden der Ruhe versunken, spürt er, wie sich jemand neben ihn setzt. Es ist eine Frau - auch sie hat einen Koffer - mit der er ins Gespräch kommt. Sie scheinen sich blendend zu verstehen, denn auf der letzten Doppelseite des Buches sieht der Buchbetrachter Mann und Frau auf der Bank sitzen. Sie sind einander zugewandt und haben offene und fröhliche Gesichter. Beider Koffer liegen OFFEN unter der Bank.
Wird in diesem Buch das Leben mit all seinen Höhen und Tiefen, Hindernissen und freudigen Ereignissen beschrieben? Haben wir nicht alle unser Päckchen zu tragen, ohne dass wir wissen, was sich darin verbirgt und was wir ein Leben lang mit uns schleppen? Das sind Fragen, zu denen uns dieses imposante Bilderbuch inspiriert. Es motiviert zum Nachdenken und ist daher geeignet, sich mit dem Sinn des Lebens auseinanderzusetzen.

Die Bilder des großformatigen Buches sind beeindruckend einfach, farbintensiv und muten wie naive Malerei an. Es sind ruhige Darstellungen, die minimalistisch und dennoch selbsterklärend sind. Baumkronen sind bespielsweise schlicht rund gemalt und könnten, wenn sie farblich anders gestaltet wären, ebenso gut Verkehrsschilder sein.
Der Text befindet sich mal im Bild, mal auf der gegenüberliegenden weißen Seite. Die Geschichte ist in kurzen, klaren Sätzen geschrieben, die die graphische Gestaltung untermalen. Die Doppelseite mit der Stadtszene hat den meisten Text und fällt besonders dadurch auf, dass einige Menschen Masken bzw. Tierköpfe haben. Wodurch die Diskrepanz zwischen der Hektik der Metropole und den meisten übrigen Bildern des Buches nochmals an atmosphärischer Deutlichkeit gewinnt.
Fazit: Dieses Buch eignet sich für philosophische Unterrichtseinheiten ab der 2./3. Klasse. Jüngere Kinder können eventuell zu den wirklich schönen Bildern eine eigene - inhaltlich wahrscheinlich ganz andere Geschichte - frei erzählen.

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Diese Rezension wurde verfasst von Brit; Landesstelle: Nordrhein-Westfalen.
Veröffentlicht am 14.05.2017