Ein Nilpferd steckt im Leuchtturm fest. Tiergedichte für Kinder

Autor*in
Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung (Hg.),
ISBN
978-3-95854-126-9
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Janisch, HeinzDückers, AnjaKehn, ReginaRoher, Michael
Seitenanzahl
112
Verlag
Mixtvision
Gattung
Buch (gebunden)Lyrik
Ort
München
Jahr
2018
Lesealter
4-5 Jahre6-7 Jahre8-9 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
19,90 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Eine wunderbare Sammlung neuer Gedichte, gelungen illustriert und so zu einem Gedichtband komponiert, der voller Vielfalt und Sprach-Freude steckt.

Beurteilungstext

James Krüss: Mein Urgroßvater und ich. Dichten in der Tienerbude oder auf dem Dachboden. Ja, dieser Klassiker könnte Modell gestanden haben für eine Gedichtwerkstatt der ganz besonderen Art. Nicht auf Helgoland, sondern am anderen Ende der Republik, in München. Nicht in einer Hummerbude oder Tienerbude, sondern auf Schloss Blutenburg. Auf Einladung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, der Stiftung Internationale Jugendbibliothek und der Stiftung Lyrik Kabinett kamen sechs Dichter*innen im Frühling 2016 für ein Wochenende zusammen und haben Tiergedichte gedrechselt.

Applaus

Hoch in der Luft
flattert ein Schmetterling
von Duft zu Duft.
Ich kleine Maus
liege am Rücken
und lass mich entzücken
vom Duft und von der Schönheit
des Schmetterlings.
Rundherum leuchtet ein Blumenstrauß
Meine Augen sagen: Applaus!

(Heinz Janisch)

Wie bei Krüss sind viele der Gedichte voller Sprachspiel, vielleicht nicht ganz so streng an Regeln oder Vorgaben gebunden. Bunt gemischt in diesem Band ergibt die Lektüre viel Abwechslung, einen Blumenstrauß der Kinder-Tier-Lyrik. Schaut man genauer hin, so erkennt man auch Spezifika der einzelnen Autor*innen, etwa in den Blockgedichte von Ulrike Almut Sandig, die scheinbar als Fließtext daherkommen, aber sprachlich eng durchkomponiert sind. Oder Arne Rautenbergs Gedichte, die ihre Wirkung manchmal nur dann voll entfalten, wenn man sie voller Freude laut vorträgt:

lied einer tanzenden tarantel
[...]
die tarantel tanzt
den arroganztanz
die tarantel tanzt
den mummenschanztanz
die tarantel tanzt
den adventskranztanz
die tarantel tanzt
den extravaganztanz
[...]

Manche Gedichte nutzen die Wortanordnung als grafische Form, so z. B. wenn in Michael Augustins Gedicht "Das Aquarium bleibt heute geschlossen" die Worte in Wellen durch die Seite wabern. Viel wird mit Buchstabentauschspielen gearbeitet, so in Tanja Dückers "Große Schifffahrt" oder Matthias Jeschkes "Kätroppchen und der wöse Bolf":

Kätroppchen gung dirch
den wanklen Duld.

Schla dich der wöse Bolf berhei,
er zirschte dit men Knähen
[...]

Für die Illustration wurde ein ähnliches Setting wie für die Dichter*innenwerkstatt gewählt: Mit Nadia Budde, Julia Friese, Regina Kehn und Michael Roher wurden vier hervorragende Illustrator*innen zusammengeholt. Ihre individuellen Stile sind in den Gedichtillustrationen wiederzuerkennen - und doch gelingt auch in Hinblick auf die Bilder ein passender, verbindender Gesamteindruck – sicher eine Herausforderung für die Layoutabteilung des Verlags. Besonderen Spaß bereitete offensichtlich die Illustration der in den Gedichten vorkommenden Phantasietiere, die Quasselassel, die Bartagame oder der Pferdebär schaffen Raum für illustratorische Interpretation.

Dem Werkstattcharakter des Buches und seiner Entstehung mag es geschuldet sein, dass vielleicht nicht jedes der Gedichte "bedeutend" ist oder unendlich innovativ. Die Stärke das Bandes liegt im Spielerischen, in der Freude am Gestalten mit Sprache, an der Vorlage für das Klangliche und Bildliche von Lyrik, das nach Umsetzung ruft: "Lies mich vor! Stell dir vor, was in mir steckt!", scheinen die Gedichte zu rufen.

Fragt sich nun nur, was mit dem Band geschieht. Manch bildungsbeflissene Eltern oder Großeltern werden ihn für das Kinderbuchregal kaufen und vielleicht am Abend auch das eine oder andere Gedicht vorlesen. Und vielleicht wird das Kind irgendwann, wenn es lesen kann, den Band hervornehmen, sich einige Gedichte durchlesen und hoffentlich den Spaß am sprachlichen Gestalten entdecken. Die volle Wirkung wird der Band aber eher in den Händen von Pädagog*innen entfalten, die in Kita und Schule mit den Gedichten arbeiten, z. B. als Auftakt des Morgenkreises, als Teil einer Gedichteinheit, als Anlass zum Vertonen, als Anregung für das eigene Schaffen der Kinder, als Untersuchungsgegenstand, um (Sprach- und Gedicht-) Regeln zu entdecken und um selbst Illustrationen zu den Gedichten zu schaffen.

Christoph Jantzen, AJuM Hamburg

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Diese Rezension wurde verfasst von Christoph Jantzen; Landesstelle: Hamburg.
Veröffentlicht am 11.09.2018