Ein großer Tag, an dem fast nichts passierte

Autor*in
Alemanga, Beatrice
ISBN
978-3-407-82381-6
Übersetzer*in
Kootz, Anja
Ori. Sprache
Französisch
Illustrator*in
Alemanga, Beatrice
Seitenanzahl
37
Verlag
Gattung
BilderbuchBuch (gebunden)Sachliteratur
Ort
Weinheim
Jahr
2018
Lesealter
8-9 Jahre10-11 Jahre12-13 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
14,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Draußen ist es kalt und regnerisch. Die Mutter arbeitet am Schreibtisch und hat keine Zeit für das Kind. Dieses liegt gelangweilt auf dem Sofa und spielt ein Computerspiel bis die Mutter es verbietet und das Kind Widerwillens nach draußen flüchtet. Was wird es an diesem stillen, tristen, einsamen Ort ohne neuster Medien erleben können?

Beurteilungstext

Wieder zieht es Mutter und Kind in das gleiche Ferienhaus am gleichen Ort mit dem gleichen Regen. Die Mutter genießt die Stille und nutzt sie, um am Schreibtisch zu arbeiten. Das Kind hingegen liegt gelangweilt auf dem Sofa und drückt den ganzen Tag den gleichen Knopf auf der tragbaren Spielkonsole. Es denkt dabei an den Vater und daran, was sie beide zusammen erlebt hätten. Die Leser*in erhält keine weitere Auskunft über den Vater. Die Mutter tadelt das Kind für sein Nichtstun und entwendet schließlich die Spielkonsole. Gefrustet und mit heimlich genommener Konsole flüchtet das Kind trotz kalten, fürchterlichem Wetter raus. Zum Schutz steckt es die geliebte Spielkonsole in die Jackentasche und macht sich auf in den Wald. Es läuft einen Hügel hinunter und springt in einem Fluss von Stein zu Stein. Da passiert es plötzlich: Das geliebte, elektronische Spiel fällt in den Fluss und kann nicht geborgen werden. Völlig aufgelöst, weiß das Kind erst garnicht, was es jetzt ohne Spiel machen soll. Doch plötzlich hat es Augen für die Natur, die es umgibt. Es entdeckt vier Riesenschnecken, ein Meer von Pilzen, Samen und Körnern - die unterirdische Welt voller winziger Wesen, Sonnenstrahlen die durch ein Sieb fallen und vieles, vieles mehr. Am Ende des Tages stellt es sich sogar die Frage, warum es noch nie vorher auf Entdeckungstour gegangen ist. Glücklich und zufrieden geht es zum Ferienhaus zurück, um der Mutter von seinen Entdeckungen zu berichten. Ausgezogen sieht es im Spiegel das breite Lächeln des Vaters und als Mutter es trocknet und sie gemeinsam bei heißer Schokolade am Tisch sitzen, genießen sie beide die gleiche Stille. Eine großartige, poetische Geschichte!
Allemagna greift ein sehr aktuelles Thema auf: Viele Familien kennen diese Misere: Ohne den neuen Medien wie Spielkonsole, Internet, Tablet und Smarthpone ist den Kindern langweilig. Sie wissen nichts mehr mit sich und ihrer Umwelt anzufangen. Genauso geht es der Hauptperson. Ich spreche von einem Kind, weil geschlechterspezifische Merkmale nicht erkennbar sind. Allemagma zeichnet den Ich-Erzähler in geschlechterneutralen Farben und auch das äußere Erscheinungsbild lässt keine Rückschlüsse zu. So werden Mädchen wie Jungen angesprochen. Gleich zu Beginn des Buches ist das Kind genervt von der Eintönigkeit und den immer gleichen Abläufen. Aber es fehlt ihm die Motivation diese langeweilige Situation zu ändern. Die Mutter unterbricht mit ihrem Verbot des Spielens diese Situation und als das elektronische Spiel ins Wasser fällt, ist das Kind gezwungen seine Umwelt anzuschauen, zu entdecken. Dabei bedient es sich auch seiner Fantasie und sieht wie spannend die Welt um ihn herum ist. Es nimmt die Klänge, die Gerüche, den Geschmack der Natur war, welche Tiere über den Boden krabbeln und welche Abenteuer man draußen zwischen den Bäumen und Wiesen entdecken kann. Es entdeckt die Pracht der Natur.
Allemagma zeichnet mit erdigen, herbstlichen Farben die Szenerie der regnerischen Natur. Auf den ersten Doppelseiten bis hin als das Kind sein Spielzeug verloren hat, erscheint die Umwelt düsterer, dunkler, langweiliger und kälter als auf den darauffolgenden Seiten. Die Illustratorin unterstreicht die Langeweile, die schlechte, drückrende Stimmung mit den dunklen Farben. Nur der grelle, orange farbige Regenmantel des Kindes unterbricht immer wieder das triste Bild - wie ein Lichtblick. Erst als das Kind beginnt die Natur um sich zu entdecken, werden die Farben heller, die Sonne bricht wie durch ein Sieb durch die Wolken, ein Regenbogen kommt zum Vorschein als es den Berg hinunterpurzelt. Die Natur nimmt die gesamten Doppelseiten ein und lädt die Betrachter*in zum Verweilen ein. Unterbrochen wird die Darstellung nur, wenn in kleinen Bildern das Kind darstellt wird wie es die Natur mit all seinen Sinnen erschließt: wie es wie ein Tier den Regen trinkt, in eine Pfütze springt, sich mit einem Vogel unterhält, die Luft einatmet, merkwürdige Insekten beobachtet und durch glashelle Steine die Welt betrachtet. Diese aufkommende Freude spiegelt sich in den helleren Farben und dem glücklichen Gesichtsausdruck des Kindes wider. Diese Zufriedenheit wird in meinen Augen besonders deutlich als das Kind in dem Spiegel das stolze Lächeln des vermissten Vaters entdeckt und dieser kleiner Mensch auch wieder im Einklang mit der Mutter ist. Sie genießen beide die Stille und den heißen Kakao.
Der Text ist kurz, sprachlich sehr einfach gehalten. Die Schrifttypografie ist klar und gut lesbar in den Text integriert. Der Ich-Erzähler beschreibt mit wenigen Worten wie es ihm geht, wie das Wetter ist und was er erlebt. Kurz, knapp und bündig.
Fazit: Das Cover lädt die Betrachter*in mit einem sich vom baumschwingenden Kind im orange farbigen Regenmantel ein, die Geschichte von dem großen Tag, an dem fast nichts passierte, zu entdecken. Schon dieser Widerspruch im Titel regt zum Nachdenken an und weckt die Spannung - Wie kann an einem großen Tag fast nichts passieren? Große Tage sind doch immer voller Erlebnisse! Diese Spannung wird im Verlauf der Geschichte weiter aufgebaut und bleibt eigentlich bis zum Schluss. Denn ständig passieren Dinge, mit denen die Leser*in nicht rechnet. Für mich ist es ein beeindruckendes Buch mit einer zeitgemäßen, gut verpackten, spannenden, nachdenklichen Geschichte und farblich spektakulären, ausdrucksstarken Bildern, die diesen unglaublichen Tag sehr gut darstellen.

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Diese Rezension wurde verfasst von sala; Landesstelle: Sachsen-Anhalt.
Veröffentlicht am 24.12.2018