Ein Baum ist ein Anfang

Autor*in
Davies, Nicola
ISBN
978-3-8489-0206-4
Übersetzer*in
Gutschhahn, Uwe- Michael
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Carlin, Laura
Seitenanzahl
40
Verlag
Aladin
Gattung
Bilderbuch
Ort
Hamburg
Jahr
2022
Lesealter
4-5 Jahre6-7 Jahre8-9 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Vorlesen
Preis
15,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Ein Mädchen bepflanzt eine baumlose, graue und hässliche Stadt mit Eicheln, und die Bäume, die daraus entstehen, verändern alles.

Beurteilungstext

„Als ich klein war, wohnte ich in einer schäbigen, hässlichen und heruntergekommenen Stadt. Die Straßen waren staubtrocken, aufgeplatzt von Hitze und Kälte und nie von Regen gesegnet. Ständig blies ein körniger gelblicher Wind, der um die Hausecken schrammte wie ein räudiger Hund.“ So geht das von Nicola Davis beschriebene und von Laura Carlin eindrucksvoll schwermütig illustrierte Elend los, das Elend einer bewohnten, aber unbewohnbaren Stadt, in der auch die Menschen „schäbig, heruntergekommen und hässlich geworden“ sind, in der sich auch die Ich-Erzählerin, ein Mädchen von zwölf oder dreizehn Jahren, als „hässlich, heruntergekommen und schäbig“ empfindet. „Ich lebte davon, die zu bestehlen, die kaum mehr hatten als ich. Ich war im Innern so verdorrt wie die Bäume im Park.“ Doch dann geschieht ein Wunder, über das wir uns, wenn wir es als Wunder begriffen haben, nicht mehr wundern. Es geschieht überraschend, aber doch mit großer Selbstverständlichkeit, also wie im Märchen, und wie im Märchen tritt es auf in Gestalt einer alten Frau. „Sie war schwach und allein, ein leichtes Opfer. Ihre Tasche war prall gefüllt, doch als ich versuchte, sie ihr aus der Hand zu reißen, umklammerte sie die Tasche mit einer heroischen Kraft.“ Die alte Frau – eine Fee, eine gute Hexe, was auch immer - übergibt ihr die Tasche unter einer Bedingung: „Wenn du versprichst, sie zu pflanzen, lasse ich los.“ Und hier beginnt der zweite Teil des Wunders: Die Tasche enthält nichts als Eicheln. „Sie waren so grün, so vollkommen, so viele, und ich begriff das Versprechen, das ich gegeben hatte. Ich hielt einen Wald in den Armen und wurde zu einem anderen Menschen. Ich vergaß das Geld und das Essen. Und zum ersten Mal in meinem Leben war ich glücklich und reicher als in meinen kühnsten Träumen:“ Warum? Weil die Eicheln ihr die Möglichkeit geben, Gutes für sich und die zu tun, die sie vorher bestohlen hat. Mit einem Sack voll Eicheln fängt ihr neues Leben an. „Ein Baum ist ein Anfang“, lautet der Titel, und indem sie die Stadt bepflanzt, begrünt, verschönert und mit neuem Leben füllt, verändern sich wie durch einen Zauber auch die Menschen. Sie werden farbenfroh, sie lachen, sie tanzen und trinken sogar Kaffee, machen also genau das, was in unserer Kultur für Kultur gehalten wird, lachen, tanzen, Kaffee trinken, reden. Das kommt ein bisschen simpel daher, wie in der Werbung, wenn sich die Welt durch den Kauf und Verzehr einer als heilig eingestuften Pflanze plötzlich verändert, doch diese Einwände treten beim Anblick der Zeichnungen von Laura Carlin in den Hintergrund. Hauptsache, die Bäume und mit ihnen die Menschen blühen auf und gedeihen, und der körnige gelbliche Wind schrammt nicht mehr wie ein räudiger Hund um die Hausecken. Und nachdem die erste Stadt bepflanzt und erleuchtet ist, zieht die Ich-Erzählerin wie eine Missionarin von Stadt zu Stadt, von Land zu Land, und dabei findet sie Menschen, die ihrem Beispiel folgen, und alles wird gut.
Eine Geschichte von Trostlosigkeit und Trost, vom Mut, einen Anfang zu wagen, von der Gewissheit, dass dieser Anfang auch gelingt, weil es sich um ein Wunder handelt, vor dem der praktische Einwand eines erfahrenen Gärtners, dass Eicheln in einer staubtrockenen Stadt ohne Bewässerung und Schutz vor Autoreifen, Fußgängern und Hundepisse nicht keimen und wachsen können, keine Rolle spielt. „Ungewöhnlich und raffiniert“, findet BBC Radio Suffolk das Buch. Ungewöhnlich gut gezeichnet und geschrieben ja, doch die Botschaft ist ein bisschen zu dick aufgetragen.

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Diese Rezension wurde verfasst von bf; Landesstelle: Bremen.
Veröffentlicht am 31.03.2023