Ducks - Zwei Jahre in den Ölsanden

Autor*in
Beaton, Kate
ISBN
978-3-95640-383-5
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Beaton, Kate
Seitenanzahl
448
Verlag
Reprodukt
Gattung
Comic
Ort
Berlin
Jahr
2023
Lesealter
16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüre
Preis
39,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Die 22-jährige Katie hat ihr Studium beendet, aber in ihrer heimatlichen Umgebung Nova Scotia kaum Aussicht auf eine Anstellung, die es ihr ermöglichen würde, ihr Studiendarlehen zurückzuzahlen. Im Westen Kanadas, auf den Ölsanden, nimmt sie verschiedene Jobs an. Die Bedingungen dort sind weitaus härter als erwartet. Aber Katie gelingt es zunehmend, sich in dieser stark männerdominierten, psychisch wie körperlich herausfordernden Umgebung zu behaupten.

Beurteilungstext

Mit „Ducks“ hat die kanadische Karikaturistin Kate Beaton eine berührende autobiografische Graphic Novel vorgelegt. Schauplatz ist die vom Ölboom geprägte Gegend in der kanadischen Provinz Alberta. Auf den dortigen Ölsanden wird mit gigantischem technischem Aufwand Erdöl gewonnen. Dass dies stark mit einer nahezu irreversiblen Zerstörung der Umwelt verbunden ist, wird indes weitestgehend negiert. Wichtig ist nur, dass dort gut bezahlte Arbeitsplätze zu haben sind. Und wer, wie die Protagonistin Katie, einen hohen Studienkredit abzuzahlen hat, jedoch keinerlei Aussichten auf eine halbwegs akzeptabel bezahlte Anstellung im heimischen ostkanadischen Nova Scotia hat, der nimmt halt einen solchen Job auf den Ölsanden an. Auch dann, wenn die Bedingungen oft die Grenzen des Erträglichen überschreiten mögen. Dies gilt besonders für die nur sehr wenigen Frauen. Von den Männern, die ihre Familien in der Regel nur sehr selten besuchen können, werden sie bestenfalls nur begafft oder verbal angemacht, schlimmstenfalls sexuell belästigt und als Freiwild angesehen. Schonungslos beschreibt die Autorin die oft unsäglichen Verhältnisse. Erst allmählich und nach einigen schlimmen Erlebnissen, darunter auch einer Vergewaltigung, weiß Katie sich gegen allzu viel Zudringlichkeit einigermaßen zur Wehr zu setzen.
Sie muss erschreckend feststellen, dass manche Männer, die zuhause brave Familienväter sind, auf den Ölfeldern frauenfeindlich und zugriffig werden (S. 384). Oder aber behaupten, dass Feministinnen (und das sind alle Frauen mit Selbstbewusstsein) bloß „saudumme Kühe seien, die nicht wissen wovon sie reden“ (S. 295).
Überrascht ist Katie auch vom Ausmaß des Rassismus gegenüber der indigenen Bevölkerung (zu der sie auch gehört). Den kanadischen Ureinwohnern wird das Land zwecks Ölgewinnung weggenommen, ausgebeutet und in völlig zerstörtem und vergiftetem Zustand zurückgelassen. „Der allmächtige Dollar kommt zuerst. Das ist sehr traurig. Geld kann man nicht essen.“ (S. 368 ff).
Mit simplen, aber sehr treffenden Comic-Zeichnungen macht Kate Beaton die Verhältnisse optimal nachvollziehbar. Sie beschränkt sich dabei auf das Wesentliche, und das ist zumeist der Gesichtsausdruck, der die Tristesse, die Einsamkeit, aber auch Wut und Verzweiflung über die oft ungerechten Bedingungen bei den einzelnen Figuren problemlos erkennbar wiedergibt.
Sehr eindrücklich illustriert Beaton die Vergewaltigung (S.221ff): Katie scheint anfangs aus dem eigenen Körper herauszutreten, hinein in eine idyllische Umgebung, doch dann folgen zwei äußerst vielsagende, nämlich einfach komplett schwarze Seiten. Das ist gänzlich absolut unvoyeuristisch. Und wahrhaft genial.
Sehr gelungen sind zudem die ganzseitigen Landschaftspanoramen und die Bilder, die einen guten Eindruck von den riesigen Maschinen und den Lebens- und Arbeitsbedingungen auf den Ölfeldern vermitteln.
Unüberhörbar ist die heftige Kritik an lediglich auf Kommerz und Gewinn abzielenden, dabei in höchstem Grade umweltzerstörenden Technologien, aber auch an der dortigen, durch entsprechende Arbeitsbedingungen verrohenden Gesellschaft.
Vieles von dem, was Beaton über die kanadischen Ölfelder berichtet, gilt auch nahezu deckungsgleich für die Ausbeutung der Natur weltweit, etwa in Brasilien, China oder Afrika.
Das Buch steht auch auf Barack Obamas Empfehlungsliste 2022. Mit seiner vielschichtigen Thematik ist es bestens geeignet für kritische Leserinnen und Leser ab 16 Jahren. Es könnte zudem auch gut im Unterricht der Oberstufe als Anschauungsmaterial zu Themen wie Umweltschutz und Gesellschaft (Emanzipation, Feminismus, Rassismus) verwendet werden.

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Diese Rezension wurde verfasst von Gerd Klingeberg; Landesstelle: Rheinland-Pfalz.
Veröffentlicht am 14.08.2023