Du bist dran

Autor*in
Benoit, Charles
ISBN
978-3-570-16123-4
Übersetzer*in
Weber, Mareike
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
214
Verlag
Gattung
Ort
München
Jahr
2011
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
12,99 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

“Was würdest Du tun, wenn du wüsstest, dass jemand dich zerstören will? Dass du dein Vertrauen dem falschen Menschen geschenkt hast, jemanden ‘Freund’ genannt hast, der mit Menschen spielt? Dass dieser Jemand seine Mitschüler quält und manipuliert, bis sie einknicken, bis sie nicht mehr sie selbst sind? Ein böses Spiel. Und genau diesem Psychopaten hast du von deiner heimlichen Liebe zu einem wunderbaren Mädchen erzählt. Falsche Wahl, Kyle. Jetzt bist du dran.” (Aus dem Klappentext)

Beurteilungstext

“Du bist dran!” (“You”, New York 2010) ist das ungewöhnliche Romandebüt des ehemaligen Highschool-Lehrers und Werbetexters Charles Benoit, in dem er geschickt eine Adoleszenzgeschichte um Schulprobleme und erste Liebe mit einem beklemmenden Psychothriller verknüpft.

Protagonist der Handlung ist der 15jährige Kyle Chase, ein durchschnittlicher Schüler, der nach Auffassung seiner Eltern sicher mehr aus seinem Leben machen könnte, beispielsweise, in dem er sich in der Schule anstrengen oder, in dem er sich einen Job suchen würde. Kyle liebt seine Mitschülerin Ashley Bianchi. Natürlich darf das keiner wissen. Wäre nicht cool. Und Kyle hat Probleme mit den Sport-Freaks aus der Oberstufe. Die können einem ziemlich leicht die Nase brechen. Als aber dieser Neue in der Schule auftaucht, nimmt alles plötzlich eine Wendung zum Guten - anfänglich zumindest. Denn Zack McDade mischt sich nicht in Kyles Leben ein, um ihm zu helfen. Er will ihn zerstören. Einfach so. Aus Spaß an der Freude.

Benoits Roman entwickelt eine ungemeine Sogkraft, was nicht nur an der ausgewogenen Mischung an Beschreibung und Aktion liegt, sondern sich vor allem der Erzählperspektive verdankt. Wie der englische Originaltitel klar vermuten und der deutsche Titel zumindest erahnen lässt, greift der Autor bei der Erzählperspektive auf das ungewohnte Format der zweiten Person zurück. Die gesamte Handlung - mit Ausnahme der Passagen in wörtlicher Rede - ist konsequent im “Du” gehalten. Hierdurch entsteht permanent ein eingeschränkt auktorialer “Schulterblick”, mittels dem der Leser Kyles Leben verfolgt; ihm also zwar nahe ist, zugleich aber keine überproportionale Innenschau in dessen Persönlichkeit erreichen kann.

Mit diesem Verfahren entsteht eine deutliche Spannung zwischen Leser und Geschehen, die einerseits intimer scheint, als bei einer typischen Ich-Erzählung, da durch das immer wiederkehrende “Du” ein teilweiser Übertrag der Identität Kyles auf den Leser selbst erreicht wird. Andererseits aber auch die strenge Mittelbarkeit der dritten Person Eingang finden kann, wodurch eine intensive Beschreibung von Räumen und Gegenständen, beispielsweise Kleidung, ermöglicht wird, ohne aufgesetzt zu erscheinen. Nicht zuletzt ist es ja gerade das, was an der ersten Person so oft stört: Sie beschreibt konstruierte Eindrücke und Wahrnehmungen, die für die Handlung wichtig scheinen, die aber im “wirklichen Leben” kaum jemand in einem inneren Bericht reflektieren würde.

“Du bist dran!” profitiert als Thriller von dieser Perspektive ungemein, denn Kyle Chase steht dadurch unter dauernder Beobachtung. Von wem bleibt dabei offen, doch schwingt von Anfang an der Verdacht mit, dass es die vorwurfsvollen Blicke jenes Zack McDades sind, der mehr über Kyle zu wissen scheint, als diesem lieb ist, und der beschlossen hat, das Leben seines Mitschülers zu ruinieren. Leider bestätigt sich diese Vermutung am Ende jedoch nicht, da im schockierenden Finale beide Kontrahenten nicht nur aufeinander treffen, sondern auch gemeinsam ins Visier des stillen Beobachters geraten. Wer der Erzähler ist, bleibt unbeantwortet. Warum er ausgerechnet Kyle “verfolgt” hat, ebenfalls. Plot und Story gehen aber dennoch auf.

Empfehlung: “Du bist dran!” ist ein packender Thriller, der seine suggestive Kraft vor allem aus der Erzählperspektive zieht und aufgrund der flüssigen Darstellung kaum Gelegenheit bietet, den Roman aus der Hand zu legen. Wer die dämonische Lanalee Tremone aus Maureen Johnsons “Teuflisch” (Ravensburg 2011) bereits mochte, wird im mondänen Zack McDade ein männliches Pendant finden, der seine Schwester im Geiste in Sachen Sadismus in nichts nachsteht. Als Spannungsliteratur für den jugendbibliothekarischen Grundbestand durchaus empfehlenswert.

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Diese Rezension wurde verfasst von HSM.
Veröffentlicht am 01.01.2010