Diebe

Autor*in
Gatti, Will
ISBN
978-3-407-81058-8
Übersetzer*in
Singelmann, Karsten
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
413
Verlag
Gattung
Ort
Weinheim
Jahr
2010
Lesealter
12-13 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
16,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Zwei kleine Taschendiebe glauben, den Diebstahl ihres Lebens vollbracht zu haben. Aber die Trophäe ist zu groß für ihre kleinen Verhältnisse, sie wälzt die Machtverhältnisse in dem Barrio der südamerikanischen Großstadt völlig um, kostet viele das Leben und die beiden kommen mit knapper Not davon. Ihre Freunde und ihr Leben in der Stadt aber sind Vergangenheit. Die 12-jährige Baz wächst an diesem Fall über sich selbst hinaus und wird zum Beschützer ihres Maulhelden von Freund.

Beurteilungstext

Wie ein Sog zieht diese dynamische Geschichte den Leser in seinen Bann und unversehens sympathisiert er mit den halbwüchsigen Helden, er erwischt sich selbst dabei, wie er um den Erfolg der Kleinkriminellen bangt und - ebenso wie sie - völlig aus dem Auge verliert, dass es nicht nur um Geldscheine, sondern auch um die Opfer gehen müsste, die Eigentümer dieses Geldes waren.
Mit zweierlei Mitteln erreicht das der Autor: Zum Einen ist es die knappe, parataktische Sprache (kongenial und perfekt übersetzt von Karsten Singelmann), die auktorial erzählt, direkt an den Gedankengängen der kleinen Baz bleibt. So wirkt das Erleben authentisch. Zum Anderen erreicht der Autor damit einen hohen Identifikationsgrad, der die Sicht der Kinder plausibel macht: mehr Geld als sie haben alle Opfer, denen es relativ gut geht, die ein mehr oder weniger geregeltes Leben führen - ganz anders als die beiden Kinder.
Denn die leben innerhalb des Barrios in einer besonders unterprivilegierten Weise: sie wurden von Fay quasi adoptiert, sie hat die Kinder ganz klein “gefunden”, sie wurden ihr gebracht, von Eltern überlassen - wie auch immer. Und im gnadenlosen Kampf ums Überleben dressiert sie sie zu Taschendieben und gleichzeitig dazu, “sicher” zu sein, das heißt niemandem und nichts zu erzählen. Wer “unsicher” wird, kommt auf den “Berg”, einer riesigen Müllhalde, wo die Kinder gefangen gehalten werden und Müll aussortieren. Sklavenähnlich gehalten überleben nicht viele davon. Fay muss dem Statthalter dieser Mafia Schutzgeld bezahlen, das immer höher wird, was sie wiederum zwingt, ihre Kinder zu immer größeren Leistungen zu drücken. Baz und ihr Freund Demi gehören zu den ältesten Kindern und während Demi zwar der perfekteste aller Taschendiebe ist, seine intellektuellen Fähigkeiten aber über einen trompetenhaften Machismo nicht hinaus gehen, erkennt Baz immer deutlicher die Zusammenhänge und Zwänge des Barrios.
Baz ist auch die treibende Kraft der nun folgenden Abenteuergeschichte und Verfolgungsjagd, die Atem beraubend durch eine typische Großstadt Lateinamerikas führt. Herrschaftsverhältnisse werden beschrieben, Ausbeuter und Ausgebeutete, wahre Täter und Hintermänner beschrieben, kurz, eine Lektion über das Großstadtgefüge und Mafia ähnliche Strukturen erteilt, wie ich sie typischer und gleichzeitig differenzierter selten gelesen habe. Der Autor schafft es immer wieder, in Kürze Sympathien für einzelne Charaktere zu entwickeln, zu zeigen, dass diese Gefühle auch trügen können und nur in Andeutungen anzutippen, dass Dünnhäutige wie Baz unter ihrer zähen Oberfläche sich auf ihr Gefühl verlassen können, wenn sie auf Menschen stoßen, die ganz anders eingestuft werden als sie wirklich sind. Der Leser wird aufmerksam gemacht auf Kleinigkeiten, auf Signale, die er anfangs kaum verstehen, nur erahnen kann. Ganz wie Baz.
Dass Baz sich zu einer Art “Superlady” entwickelt, in geradezu unwahrscheinlicher Kondition unbeschadet über Dächer, durch Tunnel und Sümpfe rennen, springen, kriechen kann, ist m.E. nur ein Schmankerl, das den Leser erfolgreich an der Lektüre hält und einen etwas märchenhaften Charakter hat.
Die Botschaft bleibt unbeschadet: Das Wichtigste im Leben ist der Zusammenhalt, nur gemeinsam kann ein Mensch erfolgreich sein. “Man darf nicht loslassen.”
Und dass kriminelle Machenschaften innerhalb einer Stadt durchschaubar sind, dennoch aber von wenigen Menschen kaum wirklich zu verändern sind, ist auch gut zu wissen, wenn man sich mit Strukturen wie der Mafia auseinandersetzt. Da bedarf es dann schon anderer Mittel, aber das ist nicht das Thema dieses überaus spannenden Buches über zwei Kinder, die über sich selbst hinaus wachsen.

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Diese Rezension wurde verfasst von cjh.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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