Die Wolfsjungen

Autor*in
Maar, Anne
ISBN
978-3-7152-0848-0
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Schärer, Kathrin
Seitenanzahl
32
Verlag
Atlantis
Gattung
BilderbuchBuch (gebunden)
Ort
Berlin
Jahr
2022
Lesealter
4-5 Jahre6-7 Jahre8-9 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiVorlesen
Preis
18,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Nachdem der Wolfsvater die Wolfsmutter so stark gebissen hat, dass sie blutet, sucht sie sich mit den zwei Jungen ein eigenes Revier. Sie will nicht, dass die beiden den Vater treffen, und geht ihm aus dem Weg. Erst als die Wolfskinder älter werden und ihn schon fast vergessen haben, kommen sie dem Vater wieder näher. Er verhält sich ihnen gegenüber freundlich und bringt ihnen noch manches bei. Mit dem neuen Wissen können die Jungen der Mutter in einer gefährlichen Situation helfen.

Beurteilungstext

Anne Maar erzählt in diesem Bilderbuch die Geschichte einer Wolfsfamilie, in der sich die Mutter der zwei Jungen vom Wolfsvater trennt und ein eigenes Revier sucht. Die Eltern hatten schon den ganzen Winter über gestritten und sich angegriffen, doch nun wurden ihre Kämpfe immer heftiger. Als die Mutter blutig gebissen wird, will sie, dass auch die Kinder keinen Kontakt mehr zum Vater haben. Der will sich versöhnen, die Jungen möchten zu ihm und vermissen seine Nähe, aber die Wölfin vertreibt ihn immer wieder. Die Wolfskinder können das nicht verstehen, doch die Mutter meint: „Er ist böse, ich muss euch vor ihm beschützen.“

Eine lange Zeit vergeht, in der die Jungen heranwachsen und allmählich ihren Vater vergessen. Viel haben sie schon von der Mutter gelernt, sie können inzwischen über Felder springen, Hasen aufstöbern und allein jagen. Bei einem ihrer Streifzüge treffen die Wolfskinder den Vater wieder und sind „hin- und hergerissen zwischen Freude und Furcht“. Sie merken, dass auch er sie vermisst hat und glücklich über die Begegnung ist. Die Mutter akzeptiert diese Treffen und der Wolfsvater und seine Kinder sehen sich nun wieder häufiger. Er kann ihnen noch viel beibringen: zu zweit eine Schnappfalle öffnen, sich vor den Bären schützen und „einen anderen Wolf umschmeicheln…, wenn sie verliebt waren“.

Eines Tages gerät die Wolfsmutter in so eine Schnappfalle; den Kindern gelingt es durch das Neugelernte, ihre Mutter daraus zu befreien und in Sicherheit zu bringen. Sie sollen dem Vater von ihr ein „Danke“ ausrichten, es kommt aber zu keiner Versöhnung. Am Ende der Geschichte sind die Jungen herangewachsen und haben ihr eigenes Revier und eine eigene Familie. Die Wölfin und der Wolfsvater leben weiterhin getrennt voneinander und begegnen sich nicht wieder. Die jungen Wölfe aber besuchen sie mit ihren Kindern, „manchmal die Mutter und manchmal den Vater“.

Das alles erzählt Anne Maar einfühlsam und in einer für Kinder verständlichen Sprache. In ihrer Geschichte hat sie besonders die Wolfsjungen im Blick, sie schildert nachvollziehbar ihre Empfindungen und Verhaltensweisen: „Die Wolfsjungen zitterten noch lange … (sie) fiepten – sie wollten zu ihm … sie legten den Kopf in den Nacken und heulten.“ Trotz des schwierigen Inhaltes gibt es in ihrer Erzählung auch fröhliche Ereignisse wie das gemeinsame Toben mit dem Vater, Kuschelmomente und ein versöhnliches Ende.

,,Wenn die Trennung unumgänglich ist, brauchen Kinder gute Freunde wie diesen Text und diese Bilder, die ihre Perspektive stark machen", meint Gabriele Hoffmann vom ,,Verein zur Förderung der Lesekultur bei Kindern“. Sie hat sich dafür eingesetzt, dass Anne Maars Geschichte, die bereits 1999 bei ,Ellermann‘ erschien (damals illustriert von Michael Ruppel), beim Schweizer Atlantis-Verlag neu aufgelegt wurde.

Für diese Ausgabe hat Kathrin Schärer die Illustrationen geschaffen. Ihre eindrucksvollen, ganzseitigen Bilder machen die Geschichte für Jungen und Mädchen schon im Kindergartenalter verständlich. Schärer ist bekannt für ihre Tierillustrationen, die durch die warmen Farbtöne und die weichen Konturen eine besondere Ausstrahlung haben. Meistens sind die Wölfe mit ihrem charakteristischen Aussehen dargestellt und zeigen in der Körperhaltung ihr Empfinden. Gegen Ende der Geschichte wird ihre Verhaltensweise menschlicher: sie gehen auf zwei Beinen, haken sich unter, schaukeln ihre Jungen in der Luft, schaffen es sogar eine Falle zu öffnen. Natürlich verhalten sich Wölfe in der Natur anders; Erwachsene können das ansprechen, müssen jedoch nicht erklären, dass die Tiere hier eine Art Stellvertreterrolle einnehmen.

Auch wenn nicht ausdrücklich auf menschliche Familien und ihre Trennungsprobleme hingewiesen wird, werden betroffene Kinder einen besonderen Zugang zu dem Erzählten finden und Trost und Anteilnahme durch das Lesen dieser ,Wolfsgeschichte‘ erfahren können. Dadurch, dass sich das Geschehen in der Tierwelt abspielt, lässt sich auch kleineren Kindern von körperlicher Gewalt in der Familie erzählen; eine Geschichte jedoch, in der eine verletzte, blutende Menschenmutter gezeigt wird, wäre für sie nicht zumutbar. Kinder im Vorschulalter werden sich für das Buch interessieren, sich gern daraus vorlesen lassen, die Bilder anschauen und zu der Geschichte erzählen. In den ersten Grundschuljahren kann man es gut im Unterricht - z.B. zum Thema Familie - einsetzen. Erwachsene sollten beim Vorlesen die Reaktionen der Jungen und Mädchen gut beobachten und mit dem Erzählten der Kinder behutsam umgehen.

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Diese Rezension wurde verfasst von Dagmar Haunert; Landesstelle: Niedersachsen.
Veröffentlicht am 04.01.2023