Die Wölfe in den Wänden

Schlagwörter

• Angst
• Familie
• Kunst

Teaser

Die kleine Lucy weiss es genau: In den Wänden ihres Elternhauses verstecken sich Wölfe. Und obwohl ihre Eltern alle möglichen anderen Erklärungen anbieten, brechen die Wölfe eines Tages aus den Wänden und vertreiben die Familie in den Garten. Doch Lucy findet einen Ausweg: Jetzt ist Platz für sie in den Wänden. Und eines Tages dreht die Familie den Spieß um und vertreibt, aus den Wänden hervorbrechend, die Wolfsschar.

Beurteilungstext

Hat nicht fast Jeder schon einmal als Kind gedacht, die Geräusche eines Hauses bei Nacht kämen von irgendwelchen gefährlichen Tieren, die sich in den Wänden oder unter dem Bett versteckten? Hier wird diese Urangst in bildhafte Realität umgesetzt und einer vorstellbaren Lösung zugeführt. Dabei erscheint - endlich einmal - die kindliche Sichtweise nicht nur wahrheitsnäher, sondern im Lösungsansatz und in der pragmatischen Umsetzung viel logischer und zielführender als die vermeintliche Erwachsenenvernunft. Zumindest als Inhalt eines Rollenspiels sicher ein denkbarer Umgang mit der Kinderangst.
Doch soll das Buch nicht in erster Linie als Leitfaden für Eltern gesehen werden, sondern den lesenden und betrachtenden Kindern eine Visualisierung ihrer Befürchtungen und Gedanken ermöglichen. Das tut es auf eine sehr raffinierte Weise. Großformatige Bilder in dunklen gedeckten Rot- und Erdfarben zeigen mit filmischen Mitteln wie Perspektivewechsel und Zoomeffekten das eigentlich beängstigende Geschehen reduziert auf Alltagssituationen und ironisiert durch witzige Details des wölfischen Verhaltens. Und nichts hilft besser gegen versteckte Ängste als ein - im Wortsinne - befreiendes Lachen.
Ist also das textliche und gestalterische Prinzip schon zweckmäßig gelöst, so beeindrucken vor allem die grafische Gestaltung und die Bilder auch erwachsene Betrachter durch Raffinesse und künstlerischen Wert. Die Typografie variiert zahlreiche Schrifttypen und -größen in freier Anordnung und verdeutlicht dadurch den intensiven Eindruck der kurzen und prägnanten Sätze. Die größte Wirkung entfalten aber die Bilder, Collagen aus Realfotos, verfremdeten Details und Musterschnipseln, erinnernd an Werke des Bauhauses, Oskar Schlemmer und Tamara de Lempicka, changierend zwischen Kubismus und Art Deco einerseits und Werken des Phantastischen Realismus österreichischer Prägung andererseits. Das wird weniger die kindlichen Betrachter interessieren, macht aber für erwachsene Leser einen zusätzlichen Reiz aus.
Für viele Interessen also eine ergiebige Quelle und einfach ein wunderschönes Buch.