Die unterirdische Sonne
- Autor*in
- Ani, Friedrich
- ISBN
- 978-3-570-16261-3
- Übersetzer*in
- –
- Ori. Sprache
- –
- Illustrator*in
- –
- Seitenanzahl
- 332
- Verlag
- –
- Gattung
- Krimi
- Ort
- München
- Jahr
- 2014
- Lesealter
- ab 18 Jahre
- Einsatzmöglichkeiten
- –
- Preis
- 16,99 €
- Bewertung
Schlagwörter
Teaser
Fünf Kinder erleben eine lange Zeit der Gefangenschaft in einem Keller. Sie wurden entführt, sie werden missbraucht - wie wird nicht erzählt. Was aber der Missbrauch mit ihnen anrichtet, das liest sich wie der Bericht einer Vernichtung. Die Kinder können sich befreien. Ob sie aber jemals ein Gefühl für die Freiheit bekommen werden, ist mehr als fraglich.
Beurteilungstext
Die Geschichte überzeugt erschreckend. Aber ich schreibe hier über Buchempfehlungen für Kinder und Jugendliche, und ich glaube nicht, dass etwas derart Gruseliges guten Gewissens empfohlen werden kann. Sexueller Missbrauch - oder was auch immer es ist, das genau erzählt Ani an keiner Stelle - zerstört junge Menschen so nachhaltig, dass man das sich nicht deutlich genug vor Augen führen kann. Dies ist ein Buch über, aber nicht für Jugendliche. Über Jugendliche, die Gewalt überleben, sagt es sehr viel aus. Ani hat es in drei Akte gegliedert.
In Akt 1 erfährt der Leser, in welcher perversen Situation sich die Kinder befinden, wie sie gezwungen werden, bestimmte Rituale einzuhalten und die absoluten Verbote einander zu erzählen, angstvoll auf den Ruf nach ""oben"" zu warten. Nach der Rückkehr von dort lassen die anderen es in Ruhe - sie wissen aus eigener Erfahrung, dass man sich erst waschen muss und keinen Menschen um sich sehen kann.
In Akt 2 ersetzt ein Neuer den verschwundenen Eicke, der aufmüpfig wurde. Noah aber ist anders als die anderen. Er hat familiäre Gewalterfahrungen, ist älter und unerschrocken. Er bringt die Mitgefangenen dazu, sich gegenseitig Märchen zu erzählen - und mit den Märchen die eigene Geschichte. Noah wird von den Gefangennehmern vor den Augen der Kinder ermordet.
Akt 3 zeigt die Auflösung jeder Ordnung. Die Erwachsenen versagen, die Kinder werden nicht mehr so regelmäßig wie bislang versorgt und sie schließen mit ihrem Leben ab. Dazu erzählen sie sich endlich, was mit ihnen angestellt wurde - der Leser erfährt das allerdings nicht. Das ist mit Sicherheit gut so. Die Kinder ahnten, dass sie das Gleiche erlitten, nun haben sie die Gewissheit. Jetzt erst schöpfen sie unbewusst Mut und schaffen es das erste Mal, sich zu wehren. Sie überwältigen die Erwachsenen, können fliehen und setzen das Haus noch zuvor in Brand. Alle drei Erwachsenen kommen um, die Kinder befreien den verschwundenen Eicke aus Akt 1 und erreichen unentdeckt die Stadt. Dort finden sie Unterschlupf in einem leerstehenden Haus. Vorerst.
Die Kraft der Kinder, sich gegenseitig zu stützen, ist enorm, ist glaubhaft beschrieben, auch in ihrer Brüchigkeit. Jederzeit droht das wenige an Gerüst, was die Kinder jeweils noch aufrecht hält, zu zerbrechen. Ani geht auf jedes der Kinder genau ein und zeigt, wie wichtig Erinnerungen sind, dass die eigenen Geschichten lange vorhalten, um aus ihnen Kraft schöpfen zu können. Die Gefangenen nähern sich einander an, bleiben aber übervorsichtig, eine zu große Nähe ertragen sie alle nicht. Am Ende der Gefangenschaft sind sie allesamt am Ende. Die einzige, lebensnotwendige Energie, um ausbrechen zu können, schöpfen sie aus der Gewissheit, nichts mehr verlieren zu können. Jetzt können sie nur noch gewinnen, selbst wenn alles schief läuft. Dass sie aber erfolgreich zerstört wurden, wird in dem fehlenden HappyEnd deutlich: Sie sind frei, aber ob sie noch etwas mit der wiedergewonnenen Freiheit anfangen können, bleibt ungewiss. Erschreckend glaubhaft macht Ani, dass es vorerst für keines der Kinder in Frage kommt, sich sofort bei den Eltern zu melden - oder bei der Polizei, was auf dasselbe hinaus liefe. Cjh14.03