Die ungeduldigen Frauen

Autor*in
Amal, Djaïli Amadou
ISBN
978-3-949545-02-3
Übersetzer*in
zum Winkel, Ela
Ori. Sprache
Französisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
176
Verlag
Orlanda Verlag
Gattung
Erzählung/RomanTaschenbuch
Ort
Berlin
Reihe
afrika beweg
Jahr
2022
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüreKlassenlektüre
Preis
18,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

„Geduld, meine Töchter ! Munyal ! Das ist alles, was zählt: in der Ehe wie im Leben.“ Das ist das Credo ihres Vaters, das Ramla ihr ganzes Leben lang hören muss. Und es ist das Credo der traditionellen muslimischen Gesellschaft im Norden Kameruns, die damit die Frauen dazu bringen will, eine lebenslange Unterwerfung in polygamen Gemeinschaften zu akzeptieren.

Beurteilungstext

Drei Geschichten werden erzählt, die deutlich machen, wie weit unsere Vorstellungen von Gleichberechtigung von dem entfernt sind, was in anderen Ländern Frauen angetan wird: Ramla wird von ihrem Vater dazu gezwungen, die zweite Frau eines reichen Händlers zu werden, obwohl sie doch Pharmazie studieren wollte und sich mit einem jungen Mann verlobt hatte. Sie muss stillhalten und wird von der Erstfrau ihres Mannes unterdrückt. Ihre Halbschwester Hindou wird in die Ehe mit einem ihrer drogenabhängigen Cousins gezwungen, der sie physisch und psychisch bedroht und sie schließlich in den Wahnsinn treibt, nachdem er sich offen mit seinen Geliebten in ihrer Wohnung trifft. Aus Angst, entehrt zu werden, hält die Familie zu ihm und untersagt es Hindou, damit an die Öffentlichkeit zu gehen oder ihn zu verlassen: „Nie sollen eure Verwandten erfahren, was nicht gut läuft in eurer Ehe.“ (S. 16) In der dritten Geschichte wird schließlich Ramlas Schicksal aus der Perspektive von Safira, der Erstfrau ihres Mannes, geschildert. Safira ist bereit, alles zu unternehmen, um ihren Mann wieder für sich zurückzugewinnen und die Konkurrentin bei ihm anzuschwärzen. Damit wird deutlich, dass auch die Frauen ihre Rolle in der Unterdrückung der Frauen spielen. Auch sie raten den drei Frauen immer nur zu Geduld, um ihr Schicksal zu akzeptieren. Und jede der Frauen versucht alles, um für sich und ihre Kinder das Beste im Harem herauszuholen. Die drei Geschichten schockieren denn auch in ihrer Unerbittlichkeit, mit der sie zu der schlimmstmöglichen Wendung für die Frauen führen. Gefährdung dieser Ordnung kommt aus dem Kontakt mit den westlichen Werten – sei es, weil die Mädchen Bildung erwerben wollen, sei es, weil sie sich in westlichen Serien die verrückte Idee abschauen, dass man aus Liebe heiraten könnte.
Djaïli Amadou Amal, Tochter eines kamerunischen Vaters und einer ägyptischen Mutter, beschreibt hier autobiographische Erfahrungen mit der Polygamie: Mit 17 wird sie zu einer Ehe gezwungen, aus der sie sich fünf Jahre später löst. Auch die zweite Ehe scheitert wegen der Gewalt ihres Mannes, der ihre beiden Töchter kidnappt, um sie zu bestrafen. Nun beginnt sie zu schreiben: Ihr dritter Roman „Les impatiantes“ erscheint zunächst unter dem Titel „Munyal, die Tränen der Geduld“ im Jahr 2017. Sie erhält dafür 2019 den Preis der «Presse panafricaine de littérature » und kurz danach den ersten „Prix Orange du Livre en Afrique“. Für den französischen Verlag « Anne Carrière/Emmanuelle Collas » überarbeitet sie den Roman noch einmal und hat nun auch in Frankreich Erfolg, u.a. mit dem „prix Goncourt des lycéens“, also dem Preis, mit dem französische Gymnasialschüler*innen das beste Buch eines Jahrgangs prämieren. Das Buch wird in 20 Sprachen übersetzt und ist im Kamerun Pflichtlektüre in den weiterführenden Schulen. Allein das zeigt, dass auch dort die „Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen“ herrscht: Während der liberalere Süden dieses Buch auszeichnet, herrschen im traditionelleren Norden in der Gemeinschaft er Fulben noch Gesetze, die an das europäische Mittelalter erinnern. Djaili Amadou Amal lebt mit ihrem Mann, dem Ingenieur und Schriftsteller Hamadou Baba im Norden Kameruns und hat die feministische Organisation „Femmes du Sahel“ aufgebaut, die sich für die Bildung von Frauen und gegen geschlechtsspezifische Gewalt einsetzt.
Für junge Leser*innen in Deutschland ist die spannende Lektüre des Romans eine Möglichkeit, sich mit der Lebenssituation von Frauen in anderen Ländern auseinanderzusetzen.

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Diese Rezension wurde verfasst von Annette Dr Kliewer; Landesstelle: Rheinland-Pfalz.
Veröffentlicht am 14.10.2023