Die Stadt der Schattenschläfer und die Melodie der Albträume

Autor*in
Vieweg, Olivia
ISBN
978-3-7641-5272-7
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Heidersdorf, Jana
Seitenanzahl
352
Verlag
Ueberreuter
Gattung
Buch (gebunden)Fantastik
Ort
Berlin
Jahr
2024
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahre12-13 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüre
Preis
16,00 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Quedlinburg ist eine idyllische, mittelalterlich anmutende Stadt, in der nahezu jede/r die Blasmusik liebt und praktiziert. Der 13-jährige Elly aber ist diese Welt zu eng. Sie hasst Blasmusik und hat deshalb einen schweren Stand. So harmonisch, wie sich die Stadt gern präsentiert, ist sie aber gar nicht. Es gibt viele Geheimnisse, die langsam und teilweise im wahrsten Sinne des Wortes ans Licht kommen.

Beurteilungstext

Bereits der Prolog stimmt auf die die Probleme der Stadt ein. Unter ihr werden die Schattenschläfer durch Blasmusik in Schach gehalten. Diese Wesen scheinen bösartig. So stiehlt der Tonholer einem kleinen Mädchen die Stimme, andere Wesen schleichen nachts durch den Ort, sie scheinen Menschen sogar ins Koma fallen lassen zu können. Blasmusik, so lernt es jedes Kind, kann diese Monster in Schach halten. Die gläserne Trompete kann sie sogar töten.

Vor diesem Hintergrund ist klar, dass Elly, die Blasmusik hasst, eine krasse Außenseiterin ist. Trotzdem halten ihre Eltern immer liebevoll zu ihr. Als Elly sich nach und nach etwas ihrer Umwelt öffnet, gewinnt sie vier Freunde, alle Außenseiter wie sie. Ellys Gegenspielerin ist Melody, früher einmal Ellys Freundin, die Blasmusik liebt und, nachdem der Vater, ein talentierter Blasinstrumentenbauer, im Koma liegt, in Ellys Familie wohnt. In den eingefahrenen Strukturen der Stadt bewegt sich etwas, als der junge Musiklehrer Hellborn auftaucht. Er berührt einige Menschen, verändert die Sichtweise. Aber auch er ist nicht, was er zu sein scheint.

Diese spannende, gruselige, mysteriöse Geschichte erzählt von Vorurteilen und den Folgen für alle Beteiligten. Den einen verstellt sie den Blick, die anderen verändern ihr Wesen durch ewige Ausgrenzung. "Je länger man jemanden zu Boden drückt, desto verzweifelter wird er. Wir haben aus ihnen schlimmere Monster gemacht, als sie je gewesen sind. Wir haben sie zu Schattenschläfern gemacht“ (S. 300) erklärt der Bürgermeister Elly, die eine neue Verbindung zu den Schattenschläfern sucht. "Diese Monster waren nie wie wir. Sie sind Ungeheuer, primitiv und widerlich. Sie glaubten, sie wären uns ebenbürtig gewesen. Was für Narren sie doch waren! Sie haben kein Recht darauf, in unserer Welt zu leben" (S. 272) lautet hingegen die Meinung der Inhaberin der Manufaktur für Blasinstrumente.

Der Musiklehrer Hellborn erklärt es Elly so: "Frieden heißt nicht, dass alle glücklich sind. Ob Mensch, ob Monster, wir haben unsere Fehler. Aber waren wir schlimmer als die Menschen? Oder waren wir ihnen einfach nur unheimlicher? ... Sie haben uns zum Sündenbock für all ihre Probleme gemacht". (S. 338) Die Folge der Ausgrenzung aber ist deutlich: Die in den ewigen Schatten Verbannten ändern ihr Wesen, so dass nach vielen Jahren ein Zusammenleben wirklich nicht mehr möglich ist. An den Zitaten erkennt man, dass diese Geschichte als einfache, spannend gruselige Geschichte gelesen werden kann, dass sie aber auch eine zweite Erzählebene hat.

Die Geschichte erzählt von Geschichtsfälschungen im Kleinen mit großen Wirkungen für die Zukunft. Sie erzählt davon, dass einige wie die Besitzer der Manufaktur für Blasinstrumente gute Geschäfte machen, solange die Gemeinschaft ihr enges Weltbild behält. Sie erzählt vom Mut derjenigen, die etwas außerhalb der Traditionen stehen, aber auch von nicht einzuschätzenden Gefahren, denn auch über der Erde sind nicht alle Menschen so, wie sie sich gern präsentieren. Der auktoriale Erzähler legt den Fokus meist auf die Stadtbewohner, er nimmt uns Leser:innen aber auch mit in die Unterwelt, die Welt der Schattenwesen.

Große, düstere Schwarz-Weiß-Zeichnungen begleiten den Text zunächst oft, später spärlicher. Sie geben den Monstern und Elly und ihren Freund:innen ein Gesicht. Die Vignetten zeigen die schwarze Trompete in schwarzen Dornenranken, die zu Krallen werden.

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Diese Rezension wurde verfasst von Fee; Landesstelle: Niedersachsen.
Veröffentlicht am 20.03.2024