Die Minute der Wahrheit

Autor*in
Sortland, Björn
ISBN
978-3-446-20902-2
Übersetzer*in
Kronenberger, Ina
Ori. Sprache
Norwegisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
424
Verlag
Hanser
Gattung
Ort
München
Jahr
2007
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
19,90 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Zwei junge Menschen begegnen sich in Florenz: Frida, die Angst vor ihrer Augenkrankheit hat und aus Oslo flieht, und Jakob, der einen Artikel über Kunstwerke in Europa schreibt. Frida verliebt sich in Jakob und gemeinsam reisen sie auf den Spuren berühmter Künstler durch Europa. Doch Jakob hat eine Freundin und Frida muss zurück nach Oslo, ihre Augen operieren lassen ...

Beurteilungstext

Frida spielt oft Kino. Dann stellt sie sich Filmszenen vor, in denen sie - im Gegensatz zum wahren Leben - immer weiß, was sie eigentlich sagen müsste.
Frida liebt Filme - ganz besonders "Die Liebenden von Pont Neuf" mit Juliette Binoche in der Hauptrolle. Ausgerechnet das Schicksal der Hauptdarstellerin dieses Filmes ähnelt nun dem ihren. Seit kurzem weiß die 17-Jährige, dass sie an keiner ungefährlichen Augenkrankheit leidet und - ähnlich der Frau im Film - im schlimmsten Fall erblinden kann. Kein Wunder also, dass sie ihren Rucksack packt, das Zuhause in Oslo verlässt und sich per Interrail auf nach Florenz macht, in die Stadt, die sie aus Filmen kennt und in die sie schon immer wollte.
Doch das wirkliche Leben ist oft viel komplizierter als das im Film. In Florenz angekommen fühlt Frida sich fremd und einsam. Nichts, außer McDonalds, ist ihr vertraut und fast schon beschließt sie, sich in den erstbesten Zug Richtung Norden zu setzen, da hört sie plötzlich eine Stimme, die norwegisch spricht. Frida trifft den 19-jährigen Jakob, der ebenfalls allein durch Europa reist und über bekannte Kunstgemälde für Jugendliche einen Artikel schreibt. Ihr gefällt, wie wunderbar er erzählen kann, wie viel er über die Kunst und die Malerei weiß - aber vor allem hat sie sich Hals über Kopf in ihn verliebt!
Soweit die Rahmenhandlung - eine Liebesgeschichte also, in die Bjørn Sortland kunstgeschichtliches Wissen bettet. Jakob, der Kunstfreak erklärt Frida und damit auch dem Leser bekannte Kunstwerke der Malerei, die auf Bildtafeln im Buch abgebildet sind und nachgeschlagen werden können, und erzählt kleine Episoden aus dem Leben der Maler.
Frida, die jede Gelegenheit nutzt, in Jakobs Nähe zu kommen, hört sich mit großer Begeisterung seine Vorträge über die verschiedenen Kunstepochen an. Gemeinsam mit ihm reist sie durch Europa, auf der Suche nach interessanten Gemälden. Kunst in der Schule schien ihr immer langweilig zu sein, doch in ihrer Verliebtheit begegnet sie den Künstlern von Giotto über Brunelleschi bis zu Tizian und Tintoretto mit immer größerem Interesse.
Bjørn Sortland, der zunächst als Journalist arbeitete und sich später als Kinder- und Jugendbuchautor nicht nur in Norwegen einen Namen machte, legt mit diesem Roman ein ganz besonderes Buch vor. Geschickt verknüpft er die emotionale Seite seiner Liebesgeschichte mit dem sachlichen Thema der Kunstgeschichte. Und es ist sicherlich nicht vermessen, Parallelen zu Jostein Gaarders Buch "Sofies Welt - ein Roman über die Geschichte der Philosophie" zu ziehen - auch wenn Sortlands Roman nicht so vielschichtig in seiner Thematik ist.
Allerdings wirken bei Sortland einige Dialoge, die von der Liebesgeschichte zur Einführung in die Geschichte der Kunst hinüberleiten sollen, etwas konstruiert und aufgesetzt. Dem Autor gelingt es auch nicht durchgängig, die Begeisterung der Leser für Kunst- und Religionsgeschichte von Anfang bis Ende aufrechtzuerhalten. Gerade am Ende des Romans erlangt die verzwickte Liebesgeschichte der beiden jungen Menschen die Oberhand, so dass die Besprechung der modernen Malerei von vielen Lesern sicher nur überflogen wird.
Sortland lässt Frida als Ich-Erzählerin zu Wort kommen. Der Leser erfährt von der Trennung ihrer Eltern und Fridas nicht ganz problemlosen psychischen Verarbeitung mit dieser Situation. Auf ihrer Reise erinnert sie sich an das vor Jahren noch intakte Familienleben. Jetzt vermisst sie ihren Vater, der ihre Mutter und sie verlassen hat. Nicht ohne Zufall gibt sie vor, ihren Vater in Florenz zu suchen. Bei ihrer Mutter findet sie Wärme und Geborgenheit, die sie aber andererseits auch beengt. Auf der Suche nach mehr Freiheit und einer anderen Liebe entflieht sie ihrem Zuhause, wobei die Angst vor der Krankheit das auslösende Moment ist, das sie in die Fremde treibt. Dort begegnet sie Jakob, der nichts gegen eine gemeinsame Reise hat, jedoch gleich zu Anfang klare Verhältnisse schafft: Seine Freundin heißt Ida und er möchte keinen "Trouble" mit Frida.
Keine einfache Sache für das frisch verliebte junge Mädchen, dass ihre Gefühle unterdrücken muss und doch so gern mehr Zuneigung von Jakob spüren möchte. In Gesprächen über das Leben und die Liebe, über Familie und die Zukunft tauschen sie ihre Gedanken aus und erfahren dabei einiges mehr über die Ansichten des anderen. Ausgerechnet Frida, die oftmals eine Notlüge parat hat, führt die "Minute der Wahrheit" ein, in der Jakob und sie eine Minute lang nur die Wahrheit sagen dürfen, auch wenn diese noch so unangenehm oder peinlich ist. In dieser Minute wagt es Frida, Jakob ganz persönliche Fragen zu stellen. Immer wieder versucht sie ihm auch körperlich nahe zu kommen, wird jedoch von seiner etwas abweisenden und kühlen Art enttäuscht.
Behutsam beschreibt der norwegische Autor die Berg- und Talfahrt in Fridas Gefühlswelt und lässt bis zuletzt den Ausgang dieser Beziehung offen.
Fridas Reise endet im Ullesand-Krankenhaus in Oslo, wo ihre Augen operiert werden sollen. Fluchtartig verlässt sie Jakob, allerdings nicht ohne ihn auf der Pont Neuf in Paris geküsst zu haben - so wie sie es im Film viele Male gesehen hat.



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Diese Rezension wurde verfasst von gsh.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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