Die kleine Frau Babette und Herr Mann

Autor*in
ISBN
978-3-401-09915-6
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Büchner, SaBine
Seitenanzahl
240
Verlag
Arena
Gattung
Ort
Würzburg
Jahr
2012
Lesealter
8-9 Jahre10-11 Jahre12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
19,99 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Das großformatige, assoziationsreich illustrierte”Buch für Groß und Klein” (1.3 Kg, 30 x 22 x 2 cm) voller Humor und Komik vermischt reale Lebens- mit Fantasiewelten in skizzenhaften Kurzgeschichten, die sich zu einer hintergründigen Bilderzählung zusammenfügen. Während Frau Babette mit ihrem Reitschaf Fenella von ihrem ”Wol(l)kenheim über dem Marktplatz” oft ins Fantasialand entschwebt, lebt Herr Mann mit seiner Amsel vereinsamt auf dem Lande und sehnt sich nach einem Freund.

Beurteilungstext

Der Untertitel “366 Geschichten mit Rätseln, Reimen und Gedichten” spricht besonders Kinder als Zielgruppe an, überfordert diese aber teilweise hinsichtlich ihrer Lesefertigkeiten und Leseinteressen. Die “Kalendergeschichten” fangen in Poesie und Prosa chronologisch und atmosphärisch den Wechsel der Jahreszeiten ein. Dabei schlüpfen die sprachverliebten, sprachschöpferischen Autorinnen in verschiedene Rollen, in die von Frau Babette und die von Herrn Mann. Sie erzählen originelle, kurze, hintergründige Geschichten , die in einem Leseakt zu lesen sind, jedoch gleichzeitig ein Lesen zwischen den Zeilen erfordern. Das Leitmotiv des Buches, die Suche nach Freundschaft, Geborgenheit und Liebe erschließt sich erst allmählich. Vor allem jüngere Leser finden nicht gleich Zugang zum Single- Dasein der beiden Hauptpersonen, weil ihnen Identifikationsmöglichkeiten fehlen. Besonders das alltägliche Leben von Herrn Mann verläuft so besinnlich, so ohne äußere Konflikte und Höhepunkte, für Kinder also auf den ersten Blick zu spannungsarm, wie z. B. im

GEDICHT AN EINEN FREUND ( 13. Geschichte)

“Heute ist mir nach Dichten”. Herr Mann nimmt Zettel
und Stift, setzt sich an den Tisch und schreibt:
Ich lade dich ein,
bei mir zu sein.
Ich bin so allein,
Komm doch rein,
Meine Tür ist auf.
“Na ja”, denkt Herr Mann, “es ist nicht perfekt,
Aber immerhin ist ein Anfang gemacht.”
Er nimmt das Gedicht und hängt es in der Scheune auf
die lange Wäscheleine zu den anderen.
“Eines Tages fällt mir sicher ein , wie ich das Ende besser
dichten kann.”
Dann steht er noch eine Weile da und sieht zu, wie die
Staubkörner im Sonnenlicht um seine Gedichte tanzen.

Buchgestalterisch verteilen sich viele Kurzgeschichten wie diese über eine ganze Seite, weil die zugeordnete Illustration zum gründlichen Betrachten einlädt, den Text nicht nur auffängt, sondern inhaltlich bereichert:
Das Bild zeigt einen traurigen Herrn Mann, auf einem Küchenstuhl sitzend, den Stift in der Hand, vor sich auf dem Tisch ein Blatt Papier, eine große Teekanne, aber nur eine Teetasse, gegenüber ein leerer Stuhl, ohne Stuhlkissen...
Es ist schon Herbst geworden, als Herr Mann in den Geschichte 227 und 232 seinen Tee nicht mehr alleine trinkt und ein “Esseneinladungsgedicht” schreibt; und erst im Winter holt die kleine Frau Babette mit Fenella in den Geschichten 363 bis 366 ihren “Hermann” zu sich ins “mummelige Bett”, um ihm die kalten Füße zu wärmen.

Im Gegensatz zu Herrn Mann umgibt die kleine Frau Babette viel Situationskomik zum Lachen. Das Geschehen mit ihr und um sie herum ist wesentlich turbulenter, aktionsreicher, fiktionaler, absurder - mitunter reiner Nonses. Das kündigt sich bereits zu Beginn des Buches an:

REITSCHAF (2. Geschichte)

“Fenella!” ruft die kleine Frau Babette fröhlich, als ihre Schäfin durch die Schafklappe in die Wohnung trottet. Sie schlingt ihr die Arme um den Hals und erfindet schnell das Was-Fenella-alles-kann-Lied für sie:
“Füße wärmen,
schweigen, lärmen,
Rätsel knacken,
Schäfisch schnacken,
Wolle machen, mich bewachen,
Rasen mähen, spazieren gehn
und die Stadt mit mir ansehn.
Denn das Beste aller Zeiten
ist, auf dir herumzureiten!”
Dann schwingt sie sich auf Fenellas Rücken und galoppiert zur Tür hinaus, die Treppen runter auf den Marktplatz, über die Kreuzung und dreht eine rasende Runde durch die morgenwimmelige Stadt.

Hier schreibt die Illustration ein großes , dickes “M ä h” neben den Text, umrahmt ihn mit schwebenden (Traum)- Wolken und einer Straße zweistöckiger, grauer Häuser. Aber auf einem grünt ein Dachgarten - als “Weide für Fenella”, mit einer bunten Laube und einem Kastanienbaum, der schon Knospen trägt...

In schwarz - weiß oder auch vielfarbig koloriert widerspiegeln die Illustrationen den Wechsel der Jahreszeiten auf dekorative Weise. Die meisten Bilder zeigen Handlung, sind szenisch gestaltet, offenbaren die Lebensgewohnheiten und Stimmungslagen von Frau Babette und Herrn Mann in vielen liebevollen Details. Die leicht karikierende, variantenreiche Figurendarstellung sichert über Mimik, Gestik, Körperhaltung, Kleidung, Requisiten Wiedererkennungseffekte. Auf diese Weise erzählen die Bilder die Handlung mit, schaffen ergänzend zur Sichtweise der beiden Autorinnen eine zusätzliche dritte Erzählebene.
Diese Art der Verknüpfung von Text und Bild bedarf der Vermittlung durch Erwachsene, insofern ist die Ankündigung des Verlages - “ein Hausbuch für die ganze Familie” - als Aufforderung zu verstehen.
Für Vorlesegespräche mit Kindern ergeben sich viele Anknüpfungspunkte, um sie so anhand von Einzelszenen an literarisches Lesen zu gewöhnen.
Der experimentelle Charakter spricht besonders bibliophile erwachsene Leser an. Es ist keinesfalls ein herkömmliches Bilderbuch, weil es in der inhaltlichen und formalen Zusammenschau für die Zielgruppe jüngere, aber auch ältere Kinder zu konstruiert wirkt.
Im Vorsatzpapier kann man neben der Kurzbiografie der Autorinnen eine vorausschauende Warnung lesen:
“Der Rätsel Lösung bleibt verborgen,
Geschichte auf Geschichte trifft,
doch muss sich keiner darum sorgen:
Lest nur die nächste Überschrift!”







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Diese Rezension wurde verfasst von kra.
Veröffentlicht am 01.01.2010