Die Keilers machen sich breit

Autor*in
Keller, Alice
ISBN
978-3-407-75819-4
Übersetzer*in
Süßbrich, Julia
Ori. Sprache
Italienisch
Illustrator*in
Truttero, Veronica
Seitenanzahl
69
Verlag
Gattung
Buch (gebunden)Erstlesebuch
Ort
Weinheim
Jahr
2020
Lesealter
4-5 Jahre6-7 Jahre8-9 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
9,95 €
Bewertung
empfehlenswert

Teaser

Zwei ganz andere Paare: Herr und Frau Grunz wohnen auf dem Land und führen ein sehr geordnetes, gemütliches Leben. Sie gewinnen eine Reise und verschließen ihr Haus nicht. Keilers tauchen auf, als die anderen eben aus der Türe sind. Die Wildschweine genießen ungefragt ein Wochenende dort, als wären sie zu Hause. Sie tauchen in das andere Leben ein und bringen es mehr als nur durcheinander. Herr Keiler ist leider nicht in der Lage, die vorgefundene Ordnung rechtzeitig wieder herzustellen.

Beurteilungstext

Beide Paare, die sich grundsätzlich verstehen, wollen Urlaub vom Alltag nehmen. Untereinander gibt es lediglich Unstimmigkeiten, wenn es um die Organisation von Abläufen und Ordnung geht.
In Zehn Episoden wird von nur einem Wochenende erzählt, als Fremde sich im Leben eines anderen Paares breit machen.
Herr und Frau Grunz haben eine sehr schön eingerichtete Wohnung, in der sie ihren Hobbies und Arbeiten nachgehen können. Alles ist sauber und gemütlich. Frau Grunz schreibt an einer Geschichte, Herr Grunz malt an einem Bild an einer Staffelei. Er spielt auch Cello.
Acht bunte, aquarellierte Miniatur-Szenen aus ihrem Leben geben den Blick frei aus ihrer Wohnung heraus durch die Fenster in den Garten. Sie werden beobachtet, doch unbemerkt.
Sie haben eine Reise gewonnen und freuen sich auf etwas Neues. Vorher will Frau Grunz schnell alles sauber herrichten, denn ihr Mann ist manchmal etwas unsortiert. Er denkt nicht an das Notwendige, nur daran, ob er seine Noten und das angefangene Bild so zurücklassen kann. Als er zurück ins Haus muss, um den vergessenen Autoschlüssel zu holen, vergisst er, abzuschließen. Etwas unruhig überlegt er noch, dass ja auf dem einsamen Land ohnehin keiner vorbeikommen würde. Sie bleiben ja nicht lange.
Ein doppelseitiges Bild zeigt in freundlichen Farben die einsame Landschaft und das friedlich zur Straße eingezäunte Haus. Das nächste Haus liegt weit hinter dem nächsten Hügel.
Die Türe wurde schon geöffnet, keine zwei Minuten nach der Abfahrt. Zwei richtige Keiler in Menschenkleidung haben sich der Wohnung bemächtigt. Nicht einmal in übler Absicht. Auch sie wollen 24 Stunden Ferien genießen. Sie machen sich breit. Sie speisen, sie trinken, sie nutzen die Hausschuhe ebenso, wie alles andere im Haus.
Frau Keiler kommen schon früh Bedenken, ob sie nicht zwischendurch einmal aufräumen sollten. Sie kennt ihren Mann. Doch Oswald Keiler nimmt sich sogar die Zeit, um sich für das Cellospiel aufzuwärmen.
Frau Keiler hat keinerlei Bedenken, für die Idee einer Geschichte den fremden Computer zu nutzen. Den faden Text, den sie vorfindet, löscht sie. Auch schaut sie mit Ratlosigkeit auf die Staffelei im nächsten Zimmer und beschließt mit Freude, das traurige Bild schöner und bunter zu gestalten.
Den beiden Keilers geht es richtig gut. Aus jeder Zeichnung spricht Wärme und trotz der zunehmenden Unordnung auch Harmonie zwischen ihnen.
Was sie dabei nicht vergessen, ist die ihnen verbleibende Zeit, um rechtzeitig wieder zu verschwinden. Die Uhrzeiten werden während der ganzen Geschichte farbig hervorgehoben: “8 Uhr abends! Jetzt putze ich noch nicht. Ich habe noch 12 Stunden Zeit.“
Frau Keiler erinnert dennoch immer wieder daran, rechtzeitig aufräumen zu müssen. Doch Keiler Oswald glaubt, auch noch am nächsten Morgen damit anfangen zu können. Er stellt sich mehrere Wecker, die er alle ignorieren wird, bis es 7 Uhr 47 ist. „ Es sind noch 13 Minuten bis zum Aufbruch.“
Nun läuft der Countdown, Frau Fernandas Huf klackt im Takt dazu.
Da bleibt für den mit Putzmitteln ausgestatteten Rambo-Keiler nur noch Zeit, alles unter dem Schrank zu verstauen oder zusammenzufegen.
Beim Lesen und Betrachten steht das Erschrecken über jeden der Übergriffe im Kontrast zu den freundlich gezeichneten Gestalten der eigentlich liebenswerten Keilers. Sie haben sich mehr als breit gemacht, ohne an die Eigentümer zu denken. Konnten sie nicht wissen, dass jedem Teil im Haus ein besonderer Wert zukam? Wie wichtig ein Bild, ein Text oder ein Instrument für jemanden sein kann oder die eigene Ordnung?
Denn, wenn ihnen alles gleichgültig gewesen wäre, hätten sie über das Aufräumen doch gar nicht nachzudenken brauchen? Sie wollten von Anfang an doch nur diese kurze Zeit bleiben. Kindern wird der Innenteil der Erzählung sicher Spaß machen. Ungehemmt, nur einmal alle Regeln außer Acht lassen zu können, ist ja auch ziemlich witzig. Aber, es ist eine Rahmenhandlung:
Als Herr und Frau Grunz zurückkommen, stehen sie vor einem Chaos. Was ihnen lieb war, ist durcheinander, kaputt oder zur Unkenntlichkeit verändert. Sie sind entsetzt. Das, was sie bei ihrer Rückkehr vorfinden, bildet wieder eine Strecke von acht Miniaturzeichnungen ab.
Die letzte Miniatur zeigt die beiden stehend und traurig mit einer Tasse Tee in der Hand.
Alle Zeichnungen geben den Ton der Erzählung wieder. Liebevolle Details und warme Farbigkeit zeigen Zimmer und Gesichter der Keiler. Sie genießen miteinander, was ihnen nicht gehört. Sie fühlen sich heimisch, sogar in der veranstalteten Unordnung. Sie gehen miteinander fürsorglich um. „Frau Keiler, wenn du herunterkommen möchtest…?“ „Herr Keiler! Was hast du denn da im Fell? Und an der Nase? Und an den Hufen? Und an den Ohren!“….“RMPFF“, grunzt er zum neunten Mal. „Dir kann ich es aber auch nie recht machen!“
Wer also sind die Keilers? Eine andere Lebenswelt? Welche Räume nehmen sie sich so einfach? Wieso können sie sich dort so selbstverständlich breit machen?
Es sind erwachsene Protagonisten, also keine aufmüpfigen oder unbedachten Kinder, die nicht – noch nicht – absehen können, was sie manchmal anrichten, wenn sie Andere und Anderes nicht achten.
Freude an der Zerstörung wird hier nicht gezeigt. Die witzigen Dialoge und die Empathie miteinander, die aus den Dialogen und den Zeichnungen spricht, lässt Kinder und Erwachsene ratlos und irritiert zurück. Darin liegt Gesprächsbedarf: „Das geht doch nicht“, „Die können doch nicht einfach…“. „Aber, guck mal, die freuen sich doch so….“. Vielleicht funktioniert Perspektivenübernahme manchmal besser, wenn sie der eigenen Lebenswirklichkeit nicht so ganz nah ist.

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Diese Rezension wurde verfasst von stoni; Landesstelle: Nordrhein-Westfalen.
Veröffentlicht am 02.11.2020

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