Die Geschichte von Bodri

Autor*in
Fried, Hédi
ISBN
978-3-95939-203-7
Übersetzer*in
Tüschen, Christina
Ori. Sprache
Schwedisch
Illustrator*in
Wirsén, Stina
Seitenanzahl
32
Verlag
Bohem
Gattung
BilderbuchBuch (gebunden)Sachliteratur
Ort
Münster
Jahr
2022
Lesealter
8-9 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
15,00 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Ein Bilderbuch zum Thema Holocaust, das aus einer kindlichen Sicht die Geschehnisse darstellt und dadurch den Holocaust zu einem Gesprächsanlass mit Eltern und Pädagog:innen macht.

Beurteilungstext

Zur Zeit erscheinen wieder viele Kinderbücher, die das Thema Holocaust bearbeiten und für Kinder im Grundschulalter zugänglich machen. Das ist gut so, denn zum einen leben kaum noch Zeitzeug:innen, die authentisch ihr Erleben des Holocausts erzählen können, zum anderen nimmt der Rechtsextremismus in Deutschland zu, einhergehend mit einer Verharmlosung des Holocausts.

Hédi Fried (Jahrgang 1924) ist eine noch lebende Zeitzeugin, hat in diesem Bilderbuch jedoch nicht ihr eigenes Erleben aufgeschrieben, sondern erzählt aus der Perspektive eines etwa 8-jährigen jüdischen Mädchens. Zunächst bekommen wir Einblicke in eine nahezu unbeschwerte Kindheit, die das Mädchen mit ihrer kleinen Schwester, der besten (christlichen) Freundin und vor allem ihrem Hund Bodri erlebt. Sehr knapp werden erste Einschränkungen geschildert (auf einer Bank gibt es ein Schild "Verboten für Juden", Hitlers Armee kommt näher) und schließlich die Deportation, die hier vor allem als Trennung von dem Hund Bodri dargestellt wird. Sehr wenige Worte werden dem Leben im Konzentrationslager gewidmet, wichtig ist hier: "Wenn ich an Bodri dachte, bekam ich Kraft." Danach sehen wir Bodri, wie er durch die Jahreszeiten hinweg geduldig wartet. Und tatsächlich: Die Ich-Erzählerin und ihre Schwester kehren nach etwa einem Jahr zurück. Das Buch endet mit einem Bekenntnis der Überlebenden: "Wir sind hier und wir erzählen jedem davon, was passiert ist. Damit es nie wieder passieren kann."

Die Bilder von Stina Wirsén setzen Handlungsmomente in Szene, zunächst die Geborgenheit in Familie und kindlicher Welt, dann die Bedrohung z. B. in Form eines Hitlerantlitzes, das aus einem Radio aufzusteigen scheint. Aber auch durch eine Entgegensetzung der kindlichen Figuren in der Vorkriegswelt mit schönen Kinderkleidern und Frisuren und der Welt der Verfolgung mit den Kindern ohne Haare, eingefallenen Gesichtern und grauen Sackkleidern. Interessant ist auch die Darstellung der Wartezeit Bodris in vier Bildern: Bodri unter einem Baum, der mit den vier Jahreszeiten sein Aussehen verändert.

In der Narration bleiben viele Fragen offen. So wird implizit deutlich, dass die Eltern nicht überleben – das wird aber nicht ausgesprochen. Das Leid im KZ wird kaum geschildert, das Jahr ist kaum gefüllt. Das schafft einerseits Raum für Fragen der Kinder, andererseits ergibt sich daraus die Aufgabe für (vorlesende) Eltern und Pädagog:innen, diese Leerstellen zu füllen. Dies wird auch in einem erläuternden "Nachwort für Erwachsene" von Margret Karsch herausgestellt.

Problematisch ist in der Darstellung allerdings die vermittelte Sicht auf den Nationalsozialismus. Wenn von ihm die Rede ist, ist eigentlich nur von Hitler die Rede bzw. von seiner Verantwortlichkeit, z. B. "Da kamen Soldaten in unsere Stadt. Hitler sagte den Soldaten, was sie tun sollten, und die Soldaten sagten Mama und Papa, was sie tun sollten." So entsteht der Eindruck, als wäre Hitler mehr oder weniger allein Schuld an Holocaust und Krieg - und eben nicht ein erheblicher Teil der Bevölkerung, die lange schon antisemitisch eingestellt war, die überzeugte Nationalsozialist:innen waren, die Holocaust und Krieg mit verantworten. Denn gerade, weil heute der Rechtsextremismus erstarkt, muss deutlich werden, dass eben nicht Hitler allein gehandelt hat und allein Verantwortung hat, sondern dass sehr, sehr viele Deutsche aktiv daran mitgewirkt haben.

Trotzdem bietet dieses Buch einen Zugang zum Thema Holocaust für Kinder im Grundschulalter, und es bleibt in der Verantwortung der die Kinder beim Lesen begleitenden Erwachsenen, das Thema angemessen zu vertiefen.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Christoph Jantzen; Landesstelle: Hamburg.
Veröffentlicht am 15.03.2022

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