Die Geheimnisse von Harris Burdick

Schlagwörter

• Kunst

Teaser

Die (fiktive) Geschichte dreht sich um 14 Erzählungen, von denen nur je eine Illustration erhalten geblieben ist sowie der Titel (?) und ganz wenig Text: "Archie Smith, Wunderkind. Eine flüsterleise Stimme fragte: ‚Ist er das?'" oder "Er hatte sie vor dem Buch gewarnt. Nun war es zu spät." Da fängt unsere Fantasie auch schon an, ganz wild zu wuchern. So ist es auch gedacht: Wir machen uns selbst 14 geheimnisumwobene Texte. Die Bilder gibt es schon.

Beurteilungstext

Und was für Bilder! Chris Van Allsburgs Illustrationen sind in Grautönen gedruckt, grobkörnig und dennoch exakt, besonders dann, wenn man sie aus einiger Entfernung betrachtet. Er spielt mit scharfen Hell-Dunkel-Kontrasten, Lichtspiegelungen auf lackierter Kugel auf dem Bettpfosten oder auf fließendem Wasser, auf den Brillengläsern oder an weißen Strümpfen, in den Haaren oder an der Harfe.
Die Grundstimmung ist auf den ersten Blick dunkel bis düster, die Personen erscheinen eher hilflos und ausgeliefert, einige schlafen sogar. Das Ungewöhnliche, Übernatürliche deutet sich je nur an, ist versteckt unter einem Teppich, fliegt als helle Kugel durch das geöffnete Fenster ins Schlafzimmer, realisiert sich von einem Tapetenmuster in die Wirklichkeit, wächst als Rankenpflanze aus einem Buch heraus. Es wird durch den Text verstärkt, fokussiert den Blick auf Teile des Bildes und schiebt sich dadurch noch tiefer in unseren Kopf.
Völlig unvermutet taucht dann Humor auf: Nur ein Schlittschuh hängt an der Wand des Kellers, ein riesiges Schiff drückt sich durch den viel zu engen venezianischen Kanal und schiebt die Häuser zur Seite, eine Nonne schwebt sehr entspannt inmitten der riesigen Kathedrale auf einem Stuhl sitzend, während zwei Priester mit Boden langen Soutanen und auf dem Rücken verschränkten Händen sie ziemlich ungerührt betrachten.

Mit dem eine Seite langen Vorwort schiebt Chris Van Allsburg seine Arbeit einem Menschen namens Harris Burdock zu, von dem nicht viel mehr bekannt ist, dass er 14 Geschichten geschrieben haben soll und diese illustrierte. Von jeder Geschichte ließ er ein Bild bei seinem Verleger und je eine kurze Bemerkung dazu. Seitdem sei Burdock nicht wieder aufgetaucht. So müssten wir uns vielleicht bei dieser Kunstfigur bedanken für dieses wunderbare Buch, das uns doch in der Tat Allsburg schenkte.