Der Zahir

Autor*in
Coelho, Paulo
ISBN
978-3-257-06464-3
Übersetzer*in
Meyer-Minnemann, Maralde
Ori. Sprache
Brasilianisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
342
Verlag
Diogenes
Gattung
Ort
Zürich
Jahr
2005
Lesealter
ab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
21,90 €
Bewertung
eingeschränkt empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Die Ehefrau eines weltberühmten Schriftstellers verschwindet spurlos und scheinbar ohne besondere Beweggründe. Diese kann der Protagonist erst peu à peu aufdecken, indem er sich auf eine emotionale Reise in die Vergangenheit, auf die Suche nach dem Verlorengegangenen in seiner Beziehung und natürlich seiner Frau selbst begibt. So entdeckt der geläuterte Ehemann die Liebe neu und findet endlich zu sich selbst.

Beurteilungstext

Paulo Coelho, brasilianischer Bestseller-Autor, der bereits millionenfach mit seinen Werken wie z.B. "Der Alchimist" oder "Elf Minuten" Leser in aller Welt begeistert hat, hat mit seinem neusten Roman "Der Zahir" erneut ein literarisches Meisterwerk geschaffen. Jedoch ist "Der Zahir" ein Buch, das eine gewisse Reife und die Bereitschaft seiner Leser voraussetzt, zumindest einige Passagen mehrfach zu lesen, das Erzählte nachzuempfinden und ehrlich seine eigenen Emotionen, Einstellungen, Erfahrungen, Wünsche und Ängste zu hinterfragen und ggfs. zu revidieren.
Coelho hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass seine Werke z.T. stark autobiographisch geprägt sind, doch fühlt sich der Leser wohl in keinem anderen seiner Bücher dem Autor so nahe wie in "Der Zahir". Nicht zuletzt wegen der häufigen Intertextualität stechen immer wieder autobiographische Parallelen zwischen dem Protagonisten und Coelho selbst hervor: Einige Werke Coelhos werden nicht nur zitiert, der namentlich nicht benannte Protagonist identifiziert sich selbst als Autor des "Jakobswegs" und anderen Romanen, die tatsächlich Coelho zuzuschreiben sind. Dennoch lässt sich keine eindeutige Übereinstimmung der Biographie des Protagonisten mit der Coelhos nachvollziehen. Doch zumindest die "innere Reise", die der Ich-Erzähler dokumentiert, scheint vom Autor selbst vollzogen worden zu sein, da sie sehr realistisch gezeichnet ist. Darüber hinaus scheint sie den Leser selbst dazu aufzufordern, sich auf eine ähnliche, gnadenlos ehrliche, "innere Reise" zu begeben. "Der Zahir" will seine Leser lehren, einzusehen, dass Tragödien und Verluste meist zu einem inneren Sieg und persönlicher Reife führen.
Die bereits mehrmals benannte "innere Reise" unternimmt der Protagonist mehrfach innerhalb der Erzählung. Beispielsweise gibt ihm seine Frau Esther Anstoß, den Jakobsweg zu bewandern, wobei ihm diese Reise schließlich den nötigen Impuls gibt, seinen Traum vom Schreiben zu verwirklichen. Die ziellose Suche nach Esther, das Umherirren ohne die treibende Kraft ihrer Liebe und selbstlosen Hilfe, ist nicht nur eine Reise durch Paris, sondern auch eine Lesereise für den Schriftsteller. Hier ist er gezwungen, seiner eigenen Geschichte auf den Grund zu gehen. In unzähligen Gesprächen und Interviews muss er stets Auskunft über die Intentionen seiner Bücher geben und den Sinn seiner Geschichte(n) reflektieren. Er erkennt, scheinbar zu spät, welche Bedeutung seine Frau für ihn, seine Tätigkeit als Schriftsteller und sein Leben insgesamt hat bzw. hatte. Damit wird Esther zu seinem "Zahir". Das "ist etwas, das man, hat man es einmal berührt oder gesehen, nie wieder vergisst und das unser ganzes Denken bis zum Wahnsinn besetzt." Schließlich bekommt der Schriftsteller vom mutmaßlichen Geliebten seiner Frau einen Fingerzeig, seine Frau befinde sich in Kasachstan, im Kriegsgebiet, und würde dort darauf warten, dass er sie aufsucht und zurückerobert. Das soll ihm schlussendlich auch gelingen. Die Symbolhaftigkeit jener Reisen sprechen Bände für die hohe literarische Qualität des neusten Romans Coelhos.
Insgesamt betrachtet ist "Der Zahir" kein einfacher Lesestoff gerade für jugendliche Leser; ein Kind stellt kein Mitglied der potentiellen Leserschaft dar. Das hat verschiedene Gründe: Wie bereits erwähnt, verlangt die Rezeption des Romans eine selbstkritische, emotional offene und ehrliche Grundeinstellung des Lesers ebenso wie eine gewisse emotionale Reife. Dazu gehört auch, evtl. das gesamte Buch mehrmals zu lesen, um "das, was zwischen den Zeilen steht" zu ergründen. Hinzu kommt, dass die sprachliche Gestaltung einigen (auch erwachsenen) Lesern Probleme bereiten kann: Monologe, Dialoge und erlebte Rede machen den größten Anteil des Romans aus. Handlungen werden eher spirituell nachempfunden als faktisch beschrieben. Es kann kaum ein "innerer Film" in den Köpfen der Leser entstehen. Stattdessen geht es mehr darum, sich mit eigenen Idealen und Lebenskonstruktionen auseinander zu setzen und diese zu überdenken. Vorstellungen von Liebe, dem Sinn des Lebens, der individuellen Aufgabe eines jeden Menschen auf Erden werden diskutiert. Sinnfragen werden aufgeworfen ohne beantwortet zu werden (was schließlich nur schwer möglich wäre). Auch wenn Coelho dem Leser durch jene Sinnfragen und dem Ausdruck seiner persönlichen Vorstellungen tiefe Einblicke in seine Psyche und Denkweise gewährt und ein starkes Gefühl der Nähe vermittelt, bleibt jedoch fraglich, ob Jugendliche in der Lage oder willens sind, sich auf die beschriebene "innere Reise" einzulassen.
Nichts desto trotz sei "Der Zahir" nicht als literarisches Werk kritisiert, jedoch für jugendliche Leser als eindeutig schwieriger Lesestoff identifiziert. Theoretisch ließe sich der Roman sicher in einem Leistungskurs Deutsch in der Oberstufe als Literaturbeispiel zeitgenössischer Literatur behandeln. Allerdings wird es vermutlich nur wenigen Schülern und kaum Schulen möglich sein, eine Klassenlektüre über 20€ je Band zu finanzieren, was wirklich bedauerlich ist. Schließlich ist nicht jeder schwierige Lesestoff als "unbrauchbar" für Jugendliche zu deuten. Vielen Jugendlichen (der heutigen Zeit), käme es sicher zugute, sich mit alten Werten und vielleicht etwas konservativ anmutenden Auffassungen von Liebe und Ehe zu beschäftigen.

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Diese Rezension wurde verfasst von HeDa.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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