Der Traum von Olympia - Die Geschichte von Samia Yusuf Omar

Autor*in
Kleist, Reinhardt
ISBN
978-3-551-73639-0
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Kleist, Reinhardt
Seitenanzahl
145
Verlag
Carlsen
Gattung
Comic
Ort
Hamburg
Jahr
2015
Lesealter
12-13 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
17,90 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Samia kommt auf der Pekinger Olympiade 2008 als Letzte ins Ziel des 200-m-Laufes, aber sie war Vertreterin Somalias. Ihr Land liegt am Boden, selbst als Olympionikin muss sie ums Überleben kämpfen. Letztlich treiben die Gotteskrieger sie zur Flucht nach Europa, dort erhofft sie sich Möglichkeiten. Erst nach vielen demütigenden Situationen gelangt sie auf ein Boot und landet im Nichts – Samia gehört zu den ungezählten Fluchttoten im Mittelmeer.

Beurteilungstext

Reinhard Kleist erweitert mit seinen Zeichnungen den Begriff der Graphic Novel. Die SchwarzWeißBilder sind dynamisch gezeichnet, zeigen die Flüchtigkeit des Augenblicks, und er arbeitet ausgesprochen deutlich mit der Körpersprache seiner Figuren. Anders als im gängigen Comic (alleine diese Bezeichnung wäre angesichts des Themas reine Blasphemie) benötigt er keine fest umrissenen Figuren; Leerstellen, Schatten, bewegte Flächen und Linien sprechen eine deutlichere Sprache. Die Hoffnungen und Ängste der 19-jährigen Samia werden offensichtlich, die Handlung spricht für sich.
Von einem Land, in dem sich der Staat verabschiedet hat, kann man nicht erwarten, dass sich irgendwelche Träume erfüllen können. Wenn aber ein junges Mädchen von selbst ernannten Gotteskriegern einfach deswegen bedroht wird, weil es das Bedürfnis zu rennen hat, versteht man schnell, dass es sich Hoffnungen auf ein besseres Leben anderswo macht. Dazu winkt das Versprechen, in einem fernen Land soviel zu verdienen, dass die Familie Zuhause damit unterstützt werden könnte. Wer würde da nicht den rettenden Strohhalm suchen, der ihn in dieses Land der Versprechungen führen könnte? Samia und ihre junge Tante machen sich auf den Weg, sie bezahlen viel Geld dafür, und sie scheitern vollends. In einem korrupten System helfen keinerlei Versprechungen, keiner hält sich an irgendwelche Vorgaben, jeder sucht nur seinen Vorteil. An jeder Grenze, bei jedem Stopp wird Wegezoll verlangt, die Beiden werden getrennt, Samia droht in der riesigen Wüste zu verdursten – und sie sieht, dass es vielen anderen schon so gegangen ist. Diesmal geht es noch gut aus. Mehrfach landet sie im Gefängnis – auch wenn es sich anders nennt – immer wieder nimmt sie neuen Anlauf, findet sogar die Tante wieder. Und sie kommen auf ein erschreckend kleines, hoffnungslos überfülltes Schlauchboot, das sie von Tripolis nach Italien, nach Irgendwo transportieren soll. Soll. Das ganze Drama des Massenexodus spielt sich auf wenigen Seiten ab: Drangvolle Enge auf dem kleinen Boot, das nur ein Minipunkt im weiten Mittelmeer ist. Das Benzin geht aus, das Wasser geht aus, sie entdecken ein unerreichbares Schiff – Samia zumindest erreicht es nicht mehr.
Erschreckend aktuell ist diese Graphic Novel, und es bleibt zu befürchten, dass sie noch für lange Zeit aktuell bleibt. Die sympathische und verzweifelte Samia, der sich eine so glänzende Zukunft bot, ist die Identifikationsfigur für die Jugendlichen, die nicht so recht wissen, was eigentlich die vielen Menschen dazu treibt, das ungeheure Risiko einer Flucht über das Mittelmeer auf sich zu nehmen. Cjh15.04

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Veröffentlicht am 19.05.2015