Der Traum von Olympia

Autor*in
Kleist, Reinhard
ISBN
978-3-551-73639-0
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Kleist, Reinhard
Seitenanzahl
152
Verlag
Carlsen
Gattung
Comic
Ort
Hamburg
Jahr
2015
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
16,90 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

„Der Traum von Olympia“ erzählt auf dokumentarisch-investigative Art & Weise die Geschichte einer somalischen Kurzstreckenläuferin. Der Autor und Zeichner Reinhard Kleist berichtet in seiner neuen Graphic Novel davon, wie Samia Yusuf Omars Lebenstraum von den Olympischen Spielen in London vor der Küste Maltas im Mittelmeer zerplatze, als ihr Flüchtlingsboot in Seenot geriet.

Beurteilungstext

Es ist eine Geschichte, die sich seit den 1980er Jahren fast täglich wiederholt – aber erst in diesen Tagen in den breiten Blick der Öffentlichkeit gerät: Infolge von Armut und Terrorismus werden die Lebensumstände in Afrika immer prekärer. Der ökonomische, soziale und politische Graben zu Europa immer tiefer. Tausende Menschen auf dem “schwarzen” Kontinent träumen vom einem besseren Leben. Hoffnungen, die meist in Auffanglagern von Lampedusa enden, oder – wie die von Samia Yusuf Omar – auf dem Grund des Mittelmeeres. Kleists Dokumentation über die Stationen dieser Flucht ist exemplarisch für die Hindernisse auf diesem Weg. Insofern muss Samias Geschichte stellvertretend gelesen werden – stellvertretend für die vielen Schicksale, die unerwähnt bleiben.

Bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking ging Samia mit 17 Jahren an den Start für Somalia. Sie durfte die Flagge ihres Landes tragen und schied, vom Publikum bejubelt, als Letzte im Vorlauf aus. Es ist eines der vielen symbolischen Bilder, die Kleist in seiner Erzählung verwendet: Eine halb verhungerte Somalierin im viel zu großen T-Shirt steht neben den muskelbepackten Konkurrentinnen aus Jamaika und den USA auf der Laufbahn. So oder ähnlich werden bei Kleist die ungleichen (Start-)Bedingungen, die Samia mit vielen Flüchtlingen teilt, ins Bild gesetzt. Überhaupt scheint der sportliche Wettbewerb „Olympia“ mit dem politisch-sozialen Wettbewerb des „Lebens“ in Analogie gesetzt zu sein: Durften die Afrikaner bisher zwar immerhin noch an den „Start“ gehen, scheint heute sogar die „Teilnahme“ in Gefahr. Denn nach Samias Rückkehr aus China steht ihr in Mogadischu nur ein zerfallenes Stadion als Trainingsort zur Verfügung. Al-Shabaab-Milizionäre bedrohen Leib und Leben der jungen Frau. Es reift der Entschluss zur Flucht nach Europa, um 2012 in London noch einmal bei Olympia dabei sein zu können – und natürlich um ihre Familie unterstützen zu können.

Was folgt ist die Geschichte der Flucht, die belegt, dass die Mauern Europas nicht erst vor der Mittelmeerküste Europas beginnen, sondern bereits mitten in Afrika. Der Leser erfährt all dies vermittelt über imaginierte Facebook-Nachrichten, die ihn auch an den Zweifeln und Hoffnungen Samias teilhaben lassen. Und da die Dokumentation exemplarisch ist – muss es auch ihr Ende sein: Die Protagonistin ertrinkt im Mittelmeer.

Kleist gelingt es mit seinen expressiven Schwarz-Weiß-Zeichnungen – die wiederholt an Will Eisner, den Godfather des Comic erinnern – die Mischung aus Bedrückung und Hoffnung auf der Flucht so eindrücklich zu imaginieren, dass man als Leser und Rezipient mitfiebert und mitleidet. Wie schon in seiner Holocaust-Geschichte „Der Boxer“ gelingt es ihm dass Unfass- und Unsagbare in Bildern zu kommunizieren und erlebbar zu machen. Wäre der Comic ein paar Jahre eher erschienen, könnte man sagen: Ein großer Wurf!

Nur leider mischen sich in den „Traum von Olympia“ nur allzu oft pädagogische und aufklärerische – ja fast subtil propagandistische Untertöne – bedingt durch die aktuelle politische Instrumentalisierung des Themas. Man könnte sagen: Der Zeitpunkt der Publikation scheint schlecht gewählt. Man kann sich als Leser dem Eindruck nicht erwehren, als hätte man es hier mit einer Auftragsarbeitsarbeit der BPB, der Bundeszentrale für politische Bildung zu tun. Ob dieser Eindruck bleibt, wird die Zeit zeigen. Zur (didaktischen) Hinführung an das sensible Thema der Flüchtlingsdebatte wird Kleist „Der Traum von Olympia“ wohl aber auch noch in 20 Jahren bestens geeignet sein.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von OWA.
Veröffentlicht am 01.04.2015

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