Der Tod des Weltmeisters - Eine Radsportkarriere im Dritten Reich

Autor*in
Friedrich, Herbert
ISBN
978-3-931965-55-6
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
444
Verlag
Maxime
Gattung
Ort
Bern (Ch)
Jahr
2015
Lesealter
16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
19,95 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Otto Pagler ist ein talentierter und trainingsfleißiger Bahnradfahrer. Mit 19 Jahren beginnt seine große Karriere Angang der 30er Jahre. Sein Trainer und Manager ist ein Jude, der Deutschland 1933 verlässt. Pagler hält an ihm bis zuletzt fest und versucht, sein Leben zu leben. Aber die Politik durchdringt alle Lebensbereiche.
Die Geschichte beruht auf dem Schicksal des Kölner Radfahrers Albert Richter, der ins Räderwerk der Politik geriet und mit dem Leben bezahlte.

Beurteilungstext

Trotz Armut und Arbeitslosigkeit ist das Leben schön, denn der Erfolg macht glücklich und Paglers Bekanntheitsgrad steigt rasant. Auf das erste massive Auftreten der SA reagiert Pagler erschrocken, kennt er doch Akteure. Aber sein Denken kreist schwerpunktmäßig um seinen Sport. Dort geht es international zu, dort hat er Freunde. Dass sein Bruder im Widerstand arbeitet, weiß er lange nicht. Aber man kann sich nicht raushalten. Nazis sprengen die Abschlussprüfung seiner Freundin, die Justiz ist parteiisch, jüdische Freunde verlassen Deutschland. Vieles geschieht nachts heimlich.
Pagler versucht auch bis 1936 noch, ausschließlich Sportler und Beobachter zu sein. Die Karriere läuft, die Armut ist vorbei. Aber er wird hineingezogen, denn er ist ein anständiger Mensch, der bedrohten Freunden hilft, und durch seine Freunde im Ausland erfährt er andere Wahrheiten als die der deutschen Propaganda.

Der Leser spürt die zunehmende Bedrohung bereits, als Pagler sich noch durch seinen Ruhm und seine Bedeutung für Deutschlands Ansehen im Ausland geschützt fühlt. In einer Diktatur kann niemand neutral bleiben.
Die historischen Ereignisse werden teilweise aufgezählt, teilweise sind sie eng mit den Romanfiguren verknüpft. Das schafft Nähe, lässt Bedrohung, Bespitzelung, Werteverschiebungen und die massiven Strafen für Kleinigkeiten sehr deutlich werden. Pagler merkt lange nicht, dass er Spielball der Politik ist.

Das Buch ist ein Buch gegen Diktaturen. 1971 erschien es unter dem Titel "Der Kristall und die Meere" in der DDR. In der BRD war es nicht erhältlich. Dieses Buch ist eine überarbeitete Fassung.
Es zeigt, wie bereits Worte Widerstand signalisieren können, es zeigt aber auch andere Formen des Widerstandes. Es ist keine Biografie, sondern eine romanhafte Biografie, da so mehr über das politische System eingebracht werden konnte, wie der Autor in einem Nachwort sagt.

Das Vorbild für die Romanfigur Pagler war Albert Richter, der siebenfacher Deutscher Meister und zweimal Vizeweltmeister wurde und ein Aushängeschild der Nation war. Seinen Namen findet man heute als Name der Kölner Radrennbahn und eines Preises. 2008 wurde Richter posthum in die "Hall of Fame des Sports" aufgenommen. 1989 entstand ein Dokumentarfilm zu seinem Leben. Er wurde 1940 ermordet.
Fazit: Dieses Buch ist ein wichtiges Buch, um die Veränderungen durch eine Diktatur auf das Einzelschicksal zu erfahren. Es ist keine leichte, aber eine interessante und lohnenswerte Lektüre.

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Diese Rezension wurde verfasst von Fee; Landesstelle: Niedersachsen.
Veröffentlicht am 31.12.2015