Der Tag, an dem ich versehentlich die ganze Welt belog

Autor*in
Thompson, Lisa
ISBN
978-3-85535-670-6
Übersetzer*in
Jellinghaus, Silke
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
288
Verlag
Atrium
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
Zürich
Jahr
2022
Lesealter
10-11 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüre
Preis
16,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Wie fühlt es sich an, sich die Dinge nicht leisten zu können, die alle Mitschüler*innen für selbstverständlich halten? Für den zwölfjährigen Cole gehört das zum Alltag. Und was passiert, wenn es daraus plötzlich einen Ausweg gibt? Ein unterhaltsam tiefgründiges Buch über die Schere zwischen Arm und Reich.

Beurteilungstext

Cole hat sich eigentlich daran gewöhnt, dass seine Familie mit sehr wenig Geld zurechtkommen muss. Deswegen ist auch der Klassenausflug in den Freizeitpark unerschwinglich oder auch einfach nur passende Klamotten. Den Spott seiner Mitschüler erträgt "Poor King Cole" mit Humor. Schließlich hat er mit Mason einen richtig guten Freund und im Gegensatz zu diesem auch ein liebevolles Elternhaus. Trotzdem ist es Cole peinlich, dass sein Vater sich als Hausmann um ihn und seine kleine Schwester Mabel kümmert, anstatt weiter als Roady für coole Rockbands zu arbeiten. Die wirtschaftlichen Sorgen werden noch größer, als das Museum, in dem Coles Mutter arbeitet, geschlossen werden soll. Wie eine Rettung erscheint es für Cole, wenn er das Rätsel um ein Museumsbild lösen könnte. Es trägt den Titel "Enigma in Öl" und verspricht demjenigen, der alle im Bild versteckten Rätsel löst, einen Schatz. Also machen sich Cole und Mason auf Schatzsuche und erhalten schon bald Unterstützung von der nerdigen Cellospielerin Isla, die in der Klasse ebenfalls eine Außenseiterin ist.

Mitten in den verheißungsvollen Beginn der Schatzsuche platzt ein anderes Ereignis, das Coles Leben völlig auf den Kopf stellt. Die gefragte Künstlerin Marika Loft beehrt die Schule und hält in seiner Klasse eine Kunststunde. Coles halbherzig hingepinseltes Bild erregt ihre Aufmerksamkeit und sie nimmt es mit in ihre Galerie, wo es zu einem beachtlichen Preis verkauft wird. Plötzlich liegen alle Hoffnungen auf dem Zwölfjährigen. Er soll ein weiteres Bild malen für eine Auktion und könnte damit seiner Familie ein sorgenfreies Leben schaffen. Aber der Druck ist zu groß. Das Zufallsbild lässt sich nicht wiederholen. In seiner Verzweiflung gibt Cole eine Kritzelei seiner dreijährigen Schwester als sein eigenes Werk aus, das dann auch prompt für eine riesige Summe verkauft wird. Jetzt steckt Cole erst recht im Schlamassel, denn sein Erfolg basiert auf einem Betrug. Und es wird für ihn ein harter Weg, sich aus diesen Verstrickungen aus Lügen, Ansprüchen und Enttäuschungen zu befreien.

"Der Tag, an dem ich versehentlich die ganze Welt belog" ist eine rasant und dicht erzählte Geschichte. Lisa Thompson bearbeitet in ihrem Buch viele ernste Themen: Die Gedankenlosigkeit der gut Situierten; die Bedeutung von Statussymbolen schon für Kinder und wie sie das soziale Miteinander beeinflussen; den Sog und den Druck der sozialen Medien. Und ganz wesentlich auch, wie sich Kinder zwangsläufig die familiären Sorgen und Probleme zu eigen machen und schwer daran tragen. Cole täuscht sein Umfeld eben nicht "versehentlich", sondern er handelt aus einer Notlage heraus, die von den Erwachsenen nicht wahrgenommen wird. Für den Jungen ist es eine große Herausforderung, trotz aller erwartbarer Enttäuschungen und Anfeindungen die Wahrheit preiszugeben.

Es ist tröstlich zu lesen, wie Cole diese Situation durchsteht und alles mit Hilfe seiner Freunde zu einem guten und hoffnungsvollen Ende bringt. Trotz der Vielfalt an Themen und der bis zum Schluss durchgezogenen Rätsel-Schatzsuche um das "Enigma in Öl", ist das Buch nicht überfrachtet. Mit dem Blick darauf, was Erwachsene Kindern manchmal - wenn oft auch ungewollt -, aufbürden, und nicht zuletzt mit dem humorvollen Seitenhieb auf die Verrücktheiten des Kunstbetriebs verschafft Lisa Thompson auch erwachsenen Leser*innen einigen Spaß und Anregungen zum Nachdenken.

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Diese Rezension wurde verfasst von ame; Landesstelle: Niedersachsen.
Veröffentlicht am 20.03.2023