Der Struwwelpeter

Autor*in
Hoffmann, Heidenreich
ISBN
978-3-351-04100-7
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Kredel, Fritz
Seitenanzahl
63
Verlag
Gattung
Lyrik
Ort
Berlin
Jahr
2009
Lesealter
4-5 Jahre6-7 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
9,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Elke Heidenreich stellt den Klassiker der Kinderliteratur vor und kommentiert. Zu finden sind die originalen Texte nebst neu gezeichneter Holzschnitte sowie ein Überblick über eine lange Reihe von Um-, Über- und Abarbeitungen.

Beurteilungstext

Den "Urahn aller Kinderbücher" nennt Elke Heidenreich das vor über 160 Jahren geschriebene und gezeichnete Weihnachtsgeschenk Heinrich Hoffmanns. 1845 überreichte der Arzt seinem Sohn diesen mittlerweile zum Klassiker gewordenen Bilderbogen mit "lustigen Geschichten und drolligen Bildern". Lustig und drollig fanden indes nicht alle Pädagogen der nachfolgenden Generationen die autoritären Erziehungsmaßnamen des Mediziners Hoffmann. "Artig sein" sollen sie sein, die Sprösslinge. Unanstrengend, still und bequem. Und auch Doktor Hoffmann wünschte sich "artige" Patienten. Jedoch hatte er es schwer: "Der Doktor und der Schornsteinfeger sind bei Müttern und Pflegerinnen zwei Popanze, um unfolgsame Sprösslinge zu schrecken und zu bändigen: (...). Was folgt dann? Sowie der Doktor an das Bett des kleinen Patienten tritt - weint, schreit, brüllt dieser mörderisch. Wie soll man da die Temperatur prüfen, wie den Puls fühlen, wie den Leib betasten!" Und so erzählt er den verängstigten Kindern Geschichten zur Beruhigung, Ablenkung und Belustigung. Geschichten, in denen nicht die Kinder, sondern die Erwachsenen das Nachsehen haben. Denn nicht das Kind versagt in den geschilderten Situationen. Die Erwachsenen scheitern vielmehr am gesund agierenden Kinde. "Oh, Hoffmann," schreibt der Analytiker Georg Groddeck "du Weisester aller Weisen, die Menschen glauben, du hättest ein Bilderbuch für Kinder gemacht, und hast doch das Hohe Lied des Unbewussten für die Großen gedichtet und gemalt." Und so lieben sie ihn, den Struwwelpeter, all die Satiriker, die Ironiker, die Zyniker und politisch Revoltierenden. Denn, so weiß auch Elke Heidenreich aus ihrer Kindheit zu berichten, nicht erschreckend sondern tröstlich waren die Geschichten - "wie oft dachte ich in meiner lieblosen Jugend voller Gezanke, Schläge und Unzufriedenheit der Erwachsenen an den fliegenden Robert, der sich einfach mit dem Schirm (der Gedanken, der Phantasie) in die Luft schwang und für immer weg war (...)." Diese feine und leise Ironie in den Geschichten wurde von vielen aufgenommen und verstärkt. Zu aller erst von Hoffmann selbst, der sich in seinem "Handbüchlein für Wühler" unter dem Pseudonym "Peter Struwwel, Demagog" seinen Zorn und seine Enttäuschung über die Revolution und die zerstrittene Linke von der Seele schrieb. Es folgten in den nächsten Jahren vor allem politische Struwwelpeter. Aber auch andere nutzten die Faszination dieses Kinderbuches. Krankenkasse, Kegelklub, Autofahrer - alle schrieben Parodien, Übersetzungen, Nachdichtungen, Umdichtungen. Alles immer für die Großen. Für die Kinder aber ist und bleibt das Original die schönste Ausgabe.
Und so stellt Elke Heidenreich ihrem Text auch die einzig wahre Fassung voran. Neu illustriert allerdings, mit "nach der Urfassung neu gezeichnet(en) und in Holz geschnitten(en)" Bildern von Fritz Kredel. Ja, nun, warum auch nicht. Und so können wir ihn genießen oder verfluchen - unseren Struwwelpeter, das "Kultbuch", welches gar über die Welt hinausreichet, glaubt man Elke Heidenreich: "ja, da sehe ich sie sitzen, die Engel im Himmel, und sie lesen sich die Geschichten vom Erzengel vor, der sein Manna nicht essen und sein Hosianna nicht singen will, "und der liebe Gott blickt stumm / auf dem ganzen Tisch herum."

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Diese Rezension wurde verfasst von ar.
Veröffentlicht am 01.01.2010