Der Sommer, als wir träumen lernten

Autor*in
Popescu, Adriana
ISBN
978-3-570-31536-1
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
448
Verlag
cbj/cbt
Gattung
Erzählung/RomanTaschenbuch
Ort
München
Jahr
2024
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüre
Preis
13,00 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Die zweiwöchige Kanutour in Schweden, zu der die verhaltensauffälligen Jugendlichen Leo, Grete, Alex und Jannis gemeinsam mit einem Betreuerteam aufbrechen, soll dazu dienen, dass sie aus dem gewohnten Alltag herauskommen und lernen, besser mit belastenden Situationen fertig zu werden. Anfangs sieht es indes eher nach einer kaum noch abwendbaren Katastrophe aus. Doch ganz allmählich wächst die Gruppe in gegenseitig zunehmend vertrauensvollem und freundschaftlichem Miteinander zusammen.

Beurteilungstext

Adriana Popescus neuer Roman erinnert in der Thematik und Anlage seines Plots deutlich an ihren im letzten Jahr erschienenen Titel „Unsere Zukunft flirrt am Horizont“. Erneut geht es um eine Gruppe von Heranwachsenden, die aufgrund familiär belastender Verhältnisse ihrem Umfeld gegenüber teils hasserfüllt und gewaltbereit auftreten, weil sie anders ihre oft überschießend heftigen Emotionen nicht in den Griff bekommen. Da erscheint es anfangs wenig aussichtsreich, dass nach diversen Therapien eine soziale Maßnahme - diesmal ist es eine Kanutour irgendwo in der schwedischen Wildnis – tatsächlich Aussicht auf Erfolg haben könnte. Keiner der vier hat sich aus eigenen Stücken für diesen Trip entschieden. Alex, die immer auf Krawall gebürstet daherkommt, hat sich bislang nur in ihrer prügelnden Großstadt-Gang sicher gefühlt; jetzt soll sie sich gegen ihren Willen in die fremde Gruppe integrieren. Leo hat gravierende Suchtprobleme; dass er Handy und Zigaretten abgeben muss, löst eine heftige Krise bei ihm aus. Jannis hat unkontrollierte Gewaltausbrüche und starke emotionale Defizite, während man bei Grete, die an heftigen Verlustängsten leidet, immer davon ausgehen muss, dass alles, was sie sagt, weitestgehend nur ihrer blühenden Fantasie entspringt.
Die jeweiligen Hintergründe für diese unsozialen Verhaltensweisen kommen erst nach und nach zutage. Erst dann, nach einigen heiklen Ereignissen, die selbst das Betreuerteam nahezu überfordern, findet jeder der vier seinen Weg, die eigene Vergangenheit in den Griff zu bekommen und sich den anderen Gruppenmitgliedern gegenüber zu öffnen. Und schließlich auch von einer besseren Zukunft zu träumen, wie dies im Buchtitel angedeutet wird.
Die Autorin beschreibt vier gewiss krasse gesellschaftliche Außenseiter-Charaktere, so wie es sie durchaus auch geben dürfte. Durch die feinfühlige, mitunter sehr emotionale Schilderung sowohl der einzelnen Vorgeschichten als auch der erst ganz sukzessive beginnenden Kommunikation der Protagonisten untereinander bietet sich Leserinnen und Leser ab etwa 14 Jahren eine gute Möglichkeit, sich in die beschriebenen Personen hineinzudenken – auch dann, wenn man mit derlei Problemen vielleicht bislang nichts zu tun hatte. Alle Figuren des Romans treten wechselseitig kapitelweise als Ich-Erzähler auf; dadurch bekommt der Roman eine ausgeprägt persönliche Note.
Einigermaßen irritierend wirkt der Auftritt von Jessy, der einzigen und engsten Freundin von Alex, die auch in einem Kapitel selbst zu Wort kommt: Erst durch sie wird der eigentlich ängstlichen Alex ein hohes Maß an Selbstvertrauen vermittelt. Näheres zu dieser Figur soll an dieser Stelle jedoch nicht vorweg genommen werden.
Die Botschaft, die Popescu in ihrem spannenden und aktionsreichen Coming-of-Age-Roman Heranwachsenden vermittelt, ist eindeutig: Erst wenn die eigenen Probleme erkannt und zugegeben werden, erst wenn man bereit ist, Schwächen zu akzeptieren, sich anderen gegenüber vertrauensvoll zu öffnen und bereit ist, auch schmerzhafte Konsequenzen zu ziehen, lässt sich sogar ein völlig verkorkstes Verhalten positiv verändern. Dabei müssen es glücklicherweise nicht erst derart krasse Zustände, wie sie im Roman geschildert werden. Und dass es nicht immer harte Psychopharmaka und Psychotherapien sein müssen, sondern auch das intensive Erlebnis unberührter Natur einer schwedischen Wildnis positive Auswirkungen haben kann, ist gewiss auch nicht von der Hand zu weisen.

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Diese Rezension wurde verfasst von Gerd Klingeberg; Landesstelle: Rheinland-Pfalz.
Veröffentlicht am 20.03.2024