Der Ickabog

Autor*in
Rowling, Joanne K.
ISBN
978-3-551-55920-3
Übersetzer*in
Pflüger, Friedrich
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
352
Verlag
Carlsen
Gattung
Buch (gebunden)Märchen/Fabel/Sage
Ort
Hamburg
Jahr
2020
Lesealter
8-9 Jahre10-11 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
20,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Schlaraffien ist ein kleines Königreich, in dem es sich gut leben lässt. Doch die Kunde von einem schrecklichen Ungeheuer aus dem Norden des Landes verbreitet Angst und Schrecken unter den Bewohnern und zieht auch zwei Kinder in den Strudel von Machtmissbrauch, Gewalt und Vorurteilen hinein.

Beurteilungstext

Der Lockdown im Frühjahr 2020 gab den Anstoß für Joanne K. Rowling die vormals ihren Kindern erzählte Geschichte zum „Ickabog“ aufzuschreiben und für jedermann zugänglich ins Netz zu stellen. Für das nunmehr in der Printversion vorliegende Buch wurde die Grundstruktur mit den kleinen allabendlich vorzulesenden Kapiteln beibehalten.

Die Erzählung beginnt märchenhaft mit der Formel „Es war einmal …“ und führt auch gleich hinein in das wohlhabende Land Schlaraffien, in dem der eitle und etwas einfältige König Fred „der Furchtlose“ regiert – umgeben von seinen durchtriebenen Beratern Lord Spuckelwert und Schlabberlot. Während es den Menschen in allen, durch kulinarische Spezialitäten besonders ausgewiesenen Regionen des Landes gut geht, kommt die Kunde aus dem ärmeren, kühlen und nebligen Marschland im Norden, dass hier ein Ungeheuer – eben der „Ickabog“ - haust, der für Mensch und Tier eine Gefahr darstellt.

Zwei Familien aus dem Umfeld des Königshauses werden gleich zu Beginn näher vorgestellt und bleiben auch die ganze Erzählung hindurch im Blickfeld. Da ist zum einen Herr Wonnegleich, Major und Befehlshaber der königlichen Garde und seine Frau Willa, Chefkonditorin des Königs mit ihrem Sohn Wim. Zum anderen ist es die Familie Lerchensporn. Die Mutter ist als oberste Schneiderin beim König beschäftigt, der Vater als Tischler und Schnitzer. Ihre Tochter Lilli ist mit Wim befreundet.

Ein tiefer Schatten fällt auf das Leben dieser Menschen, als Frau Lerchensporn plötzlich ums Leben kommt, da sie ununterbrochen und trotz ihres Unwohlseins an einer kostbaren Robe für den König gearbeitet hat, die dieser für einen bevorstehenden hochrangigen Besuch benötigt. Obwohl den König nach außen hin keinerlei Gewissensbisse plagen, gehen ihm doch die Worte, die Lilli ihm nach dem Tod ihrer Mutter verächtlich an den Kopf wirft, nicht aus dem Sinn und werden zu einer Art Leitgedanke für den Fortgang der Geschichte: „Selbstsüchtig, eitel und grausam“.

Mit dem Auftreten eines Schäfers, der gegenüber dem König äußert, sein Hund sei von dem gefährlichen Ickabog gefressen worden, nimmt die Handlung an Fahrt auf. Major Wonnegleich mit seiner Garde macht sich mit dem König und seinen Beratern auf ins Marschenland, um das Ungeheuer zu finden. Wonnegleich kommt bei diesem Einsatz unter mysteriösen Umständen und unter Beteiligung Schlabberlots ums Leben. Der „Ickabog“ muss wiederum als Übeltäter herhalten, die Familie wird von diesem schrecklichen Ereignis nicht unmittelbar in Kenntnis gesetzt.

Im Weiteren wird ein ganzes Gebäude von Intrigen und Lügengeschichten aufgebaut und alle, die Zweifel daran anmelden, werden unter Druck gesetzt und mundtot gemacht. Die Einführung einer „Ickabog-Steuer“ und weitere Repressalien bringen das Land an den Rand des Ruins. Eingebunden wird auch Lerchensporn, der große Tatzen schnitzen muss, die als Fußabdruck des unheimlichen Wesens herhalten sollen. Seine Weigerung, an den Ickabog zu glauben, führt dazu, dass seine Tochter Lilli entführt und in das Waisenhaus zu „Mutter Grunz“ gebracht wird, wo sie unter sehr schlechten Bedingungen lebt, während Spuckelwert die Lüge über den „Umzug“ ihrer Familie verbreitet. Ihre Gefangenschaft währt über 5 Jahre, bis sie Wim wiedertrifft, der ausgezogen war, seine Verwandten aufzusuchen und der wie auch sein Freund Roderich ebenfalls hier „festgesetzt“ wird. Zusammen mit Lillis Freundin Martha gelingt ihnen die Flucht, und sie gelangen nach einer beschwerlichen Winterreise ins Marschenland, wo sie ausgerechnet durch den Ickabog vom Tod durch Hunger und Erfrieren gerettet werden.

Somit gibt es ihn wirklich: bedeckt von langem grünlichem Haar, mit scharfen Klauen und großen traurigen Augen. Indem sich die Kinder – allen voran Lilli – und das fremde Wesen durch Zuhören und Gespräche näherkommen, zeigt sich, dass nicht nur die Menschen Vorurteile gegenüber dem Ickabog haben, sondern dieser auch gegenüber den Menschen. Dabei ist er völlig harmlos, ernährt sich ausschließlich von Pilzen und muss selbst sterben, wenn seine Babys auf die Welt kommen; in seiner Sprache: „geborndet“ werden. Lilly kann ihn überzeugen, dass die Menschen gar nicht grausam und böse sind, sondern in Freundschaft mit dem Ickabog leben könnten. Und als die Kinder letztlich mit der frohen Kunde – präsentiert auf Plakaten - in ihren Heimatort einziehen, kommt etwas in Gang, an dessen Ende die Gefangenen ihre Freiheit erhalten, die königlichen Berater und der König selbst eingesperrt werden, Schlabberlot bei alledem ums Leben kommt und Schlaraffien zu einem demokratisch regierten Land wird.

Die vordergründig „leicht“ und unterhaltsam daherkommende „märchenhafte“ Geschichte ist anschaulich und mitreißend erzählt, so dass sie den Leser/die Leserin gleich gefangen nimmt und in eine ganz eigene Welt entführt. Dazu trägt nicht zuletzt die originelle Begrifflichkeit für Orte, Personen und für die besonderen Lebensmittel bei.

Neben der sehr ansprechenden Coverillustration enthält das Buch zudem eine Reihe von Zeichnungen, die von Kindern im Rahmen eines Malwettbewerbs gestaltet worden sind und welche deren besondere Sicht auf die erzählten Ereignisse anschaulich spiegeln. Eine Begleitung durch erwachsene (am besten vorlesende) Personen erscheint jedoch angezeigt, um die vielfach tiefgründigen Zusammenhänge von politischen Verhältnissen, von Moral, Feindschaft und Freundschaft, Lügen und den Tod, mit dem Lilli und Wim ja unmittelbar konfrontiert sind, bewältigen zu können.

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Diese Rezension wurde verfasst von anei; Landesstelle: Niedersachsen.
Veröffentlicht am 07.09.2021