Der Garten meiner Baba

Autor*in
Scott, Jordan
ISBN
978-3-8489-0224-8
Übersetzer*in
Ott, Bernadette
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Smith, Sidney
Seitenanzahl
40
Verlag
Aladin
Gattung
Bilderbuch
Ort
Stuttgart
Jahr
2023
Lesealter
4-5 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüreVorlesen
Preis
18,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Die einfühlsame Geschichte eines kleinen Jungen, der sich voll Wärme und Zuneigung an die wertvolle Zeit erinnert, die er mit seiner Großmutter verbringen durfte.

Beurteilungstext

Baba wohnt in einem kleinen blauen Hühnerhaus an einer großen Straße. Jeden Morgen fährt Papa ihn dort hin, erzählt der kleine Junge. Wenn er ankommt, kocht Baba Kartoffeln und summt dabei „wie Stechmücken in einer Sommernacht“. Ihr Haus ist gefüllt mit Vorräten, die ihr Garten hervorgebracht hat: Äpfel, Karotten, Rote Rüben, Knoblauch und Tomaten. Sie hat sie in große Gläser eingekocht und ordentlich in Regalen aufgereiht. Baba macht dem kleinen Jungen jeden Tag Frühstück. Immer dasselbe „Haferbrei mit viel Butter, Essiggurken, Kohl und roten Rüben aus ihrem Garten“. Baba schaut ihm beim Essen zu. Die beiden sprechen wenig. Wenn etwas daneben fällt, hebt sie es sorgfältig auf, „küsst den Haferbrei, legt ihn zurück in die Schüssel und tätschelt mir sanft die Wange“. Die liebevolle Geste tut dem kleinen Jungen gut. Danach bringt Baba ihren Enkel zur Schule und summt Lieder, die er nicht versteht.
Langsam nur kommen die beiden voran, denn Baba sucht unterwegs immer nach Regenwürmern. Sie hebt sie auf und sammelt die Regenwürmer in einem mit Erde gefüllten Marmeladenglas, das sie stets in der Manteltasche trägt. Nach der Schule holt Baba ihren Enkel ab und gemeinsam gehen sie, am Meer entlang, nach Hause.
„Es gibt da so viel zu sehen, zu riechen und zu essen, viel zu viel“.
Die aufgesammelten Regenwürmer verstreuen Baba und Enkel später gemeinsam im Garten, bei den Tomaten, den Gurken und den Karotten. Denn, so erklärt Baba, die Regenwürmer sorgen dafür, dass noch mehr Wasser, Luft und auch Nährstoffe in die Erde gelangen können.
Irgendwann, als Baba nicht mehr alleine in ihrem Haus leben kann, zieht sie zu den Eltern des kleinen Jungen. Nun ist er es, der seiner Baba jeden Morgen Haferbrei und einen aufgeschnittenen Apfel ans Bett bringt. Wenn ein Stückchen Apfel herunterfällt, hebt der Junge es sorgfältig auf, küsst es und legt es in die Schale zurück. Wie seine Großmutter es früher immer machte, pflanzt nun er die Samen der sonnengelben kleinen Tomaten, die Baba mitgebracht hatte, in einen Blumentopf. Stumm sitzen die beiden am Fenster und schauen in den Regen. Der Enkel hält seine Baba liebevoll bei der Hand. Da fällt ihm plötzlich etwas ein: „Ich renne die Treppe runter und hinaus in den Regen …, Ich gehe langsam … Ich klaube jeden Regenwurm auf, den ich finden kann.“

In diesem wunderschönen und berührenden Bilderbuch geht es um das Wertvolle und Unwiederbringliche der als Kind gemeinsam mit der Großmutter verbrachten Zeit, mit all den liebevollen Seiten, zärtlichen Ritualen und schrulligen Facetten, die den kleinen Jungen prägen und ihn sein ganzes Leben lang begleiten. Wie die/der Leser*in im Vorwort erfährt, handelt es sich um die ganz persönliche Geschichte des kanadischen Schriftstellers Jordan Scott. Seine Baba wurde in Polen geboren. Im Zweiten Weltkrieg erlitt die Familie Hunger und Not, was sie veranlasste, nach dem Krieg nach Kanada auszuwandern, wo Jordan Scott geboren wurde. Schon als kleiner Junge begriff er, dass bei seiner Baba manche Dinge ganz anders waren, als bei anderen Leuten. Regenwürmer, so schreibt er, sammelt er als erwachsener Mann noch immer – und seine Kinder machen es auch.
Scott erzählt seine Geschichte in einfachen Worten und kurzen Sätzen so liebevoll und sympathisch, dass sie auch Erwachsene zutiefst berührt. Möglicherweise sogar noch mehr als Kinder (Buchempfehlung ab 4 Jahren), die unter Umständen wenig anfangen können mit der Baba, die aus einer anderen Zeit und einer anderen Kultur stammt. Vielleicht kann das Bilderbuch aber gerade deswegen ein guter Anlass sein, Kindern „von früher“ zu erzählen bzw. sie für andere Lebensformen zu sensibilisieren.
Der Illustrator Sydney Smith, ebenfalls Kanadier, hat die Geschichte der Baba mit groben, zum Teil recht düsteren Gouache- und Aquarellbildern illustriert, die eher plakativ sind als sich in Details zu verlieren. Es gelingt ihm damit großartig, die Emotionalität der Geschichte überzeugend und nachfühlbar zum Ausdruck zu bringen, z. B. die großen neugierigen Augen des kleinen Jungen, der seine Baba erwartungsvoll anschaut, Babas Gesicht, alt, mit grauen Haaren, im Bett liegend mit ihren Falten und dem warmherzigen Lächeln sowie die behütenden Hände der Großmutter, die zärtlich die Linien der kleinen Kinderhand nachzeichnen.

Dieses wunderschöne und besondere Bilderbuch berührt und erfreut kleine und große Leser*innen gleichermaßen. Es zeigt insbesondere auch Großeltern, wie kostbar und nachhaltig gemeinsame Zeit mit Enkeln sich auf deren späteres Leben auswirken kann.

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Diese Rezension wurde verfasst von CVO; Landesstelle: Hamburg.
Veröffentlicht am 07.10.2023