Der Ball ist rund. Globalisierungskrimi. Theaterstück für Menschen ab 10 +Materialheft

Autor*in
Ahrens, Thomas
ISBN
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
71
Verlag
Autorenagentur
Gattung
Taschenbuch
Ort
Berlin
Jahr
2003
Lesealter
10-11 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
4,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Während einer Projektwoche zum Thema “fairer Handel” kommt es in einer Berliner Gesamtschule zum Konflikt um die Praktiken eines Sportartikelherstellers, der der Schule einen Sponsorenvertrag anbietet, wenn die Fußballmannschaft erfolgreich ist. Eine Mitschülerin aus Indien bringt durch ihre Recherchen den Vertrag zum Platzen. Die Schüler verzichten auf den Sponsor.

Beurteilungstext

Textbuch und Materialheft sind direkt beim GRIPS-Theater zu bestellen. Weil dies für viele Benutzer ein ungewöhnlicher Weg ist, hier eine ausführlichere Inhaltsangabe:
Eine Klasse probt während der Projektwoche “fairer Handel” ein Stück ein, dass die weltweite Herstellung einer Jeans thematisiert. Nico, Fußballer und Schüler der Klasse, bekommt vom größten Sportartikelhersteller Gigas einen Werbevertrag und einen Kuss von seiner Mitschülerin Hira. Sein Bruder Igel ist Computerfreak, der Hira hilft, Informationen über Gigas aus dem Internet zu holen, nachdem ihre (indische) Mutter beim Namen Gigas ausgerastet ist. Nico wird auf den Bruder eifersüchtig. Sportlehrer Strebe bemüht sich bei Gigas um einen Sponsorenvertrag für die Schule, die Vertreterin von Gigas knüpft ihre Zusage an den Gewinn der Berliner Fußballschulmeisterschaft. Bei der Festveranstaltung in der Aula, bei der Gigas als der neue Sponsor vorgestellt wird, gelingt es Hira mit dem Material, das sie sich mit Igels Hilfe aus dem Internet geholt hat, die Veranstaltung platzen zu lassen, indem sie statt der Werbebilder von Gigas Bilder aus den Exportproduktionszonen (EPZ) zeigen läßt, in denen Frauen und Kinder unter erbärmliche Bedingungen für den europäischen Markt arbeiten.
Während Strebe den Sponsorenvertrag zu retten sucht und Nico auf seine Mitschüler einschließlich Hira stinksauer ist, wird die Projektwoche zum Thema “fairer Handel” am Beispiel von Gigas und mit Hilfe von Hiras Material weiter geführt. Während Igel weiteres Material heranschafft, wird Nico hin- und hergerissen zwisehn seinen Fußballerträumen und seinem Verliebtsein in Hira. Hiras Mutter bricht ihr Schweigen und erzählt Hira die Vorgeschichte: Ihr Bruder hat in einer EPZ versucht eine Gewerkschaft aufzubauen uznd ist deswegen ermordet worden. Aus Angst um ihr Leben ist die Mutter deshalb nach Deutschland gegangen. Die Klasse übernimmt jetzt die Regie in der Projektwoche und zeigt ihre Vorstellung, wie Gigas die Preise weltweit aushandelt. Als die Gigas-Vertreterin dazu kommt, werden die Praktiken von Gigas diskutiert und die geplante Verlegung aller Produktion nach China. Beim Schlussspiel um die Berliner Meisterschaft nehmen die Jungs einen fair gehandelten Fußball und statt der Gigas-Trikots Leibchen mit No- logo-Aufschrift. Ein Filmabspann berichtet das Ende: Sieg der Mannschaft, kein Gigas als Sponsor, Nico und Hira zusammen.
Das Theaterstück besteht aus 17 Szenen, die meisten spielen in der Schule, 10 Rollen wurden bei der Uraufführung von sieben Schauspielern gespielt. Drei Jungs und ein Mädchen vertreten eine ganze Klasse, der altliberale Schulleiter, der Terrier ähnlicheSportlehrer (vom Autor gespielt), die alternativ angehauchte Englischlehrerin das Lehrerkollegium.
Vordergründig geht es ums Fußballspielen, Karrierewünsche, Verliebtsein und Schulalltag. Aber ein starkes Mädchen (Hira) entscheidet den Ablauf des Geschehens. Sie kann nicht nur die Jungen um den Finger wickeln, sondern entwickelt auch Energien und Fantasie bei der Recherche wie beim Einsatz des Materials gegen den Großkonzern. Dabei steht Gigas für die Global player, die genannt werden (S.51): Nike, Adidas, Boss, Benetton, Reebock..
Die Sprache ist stark personen- und alltagsbezogen. So wird anfangs das vom Schulleiter für den Projektunterricht ausgedachte Stück in Alexandrinern vorgetragen - später schnodderig kommentiert von den Schülern. Besonders bei Igel, Nicos Computerfreak-Bruder herrscht eine typische Mischung von berlinern und englischem Vokabular (“R.T.F.M.”).
Unter den Schülern geht es zur Sache, auch sprachlich auf der Ebene von 12-15-jährigen. Wortwitz, Mehrdeutigkeiten bestimmen die prägnanten Dialoge. Dazwischen Reggae, Raps, z.B. Hira hat Nico abblitzen lassen, S.39f. Abgesetzt wird die deutliche Sprache der Lehrer, sehr persönlich differenziert, wie die abgehackte und brüllende Sprechweise des Sportlehrers, die ihn karikiert, was die Schüler in einer Szene gekonnt imitieren.
Die Mischung an Informationsvermittlung über wirtschaftspolitische Zusammenhänge, Liebesgeschichte, Schüleralltag, Fußballbegeisterung und Familiengeschichte wirkt sehr überzeugend, reizt zum Spielen!
Das Internet als Informationsquelle auch für Kinder wird im Stück positiv eingesetzt, was das Materialheft noch verstärkt. Anspielungen auf die Alltagssituation (nicht nur) in einer Berliner Schule stimmen (Berlin ist pleite, die PC-Ausstattung meist veraltet, Reparaturen kaum noch machbar), die Auswirkungen auf den Unterricht (wie soll man eine Schaltkonferenz mit Tanzania herstellen, wenn die PCs veraltet sind und die Lehrer nur wenig Ahnung davon haben?) Auch Angebote für Sponsorenverträge flattern Schulleitern heutzutage recht oft auf den Schreibtisch.
Auch wenn das Ende des Stückes fast zu harmonisch aussieht, zeigt es in der aufklärerischen Tradition des GRIPS-Theaters, dass Schüler/-innen sich engagieren und Partei ergreifen können /sollen.
Das Materialheft mit 78 Seiten ist eine Fundgrube zum Thema Globalisierung. es werden nach einer einleitenden Beschreibung des Stückes und der handelnden Personen Informationen gegeben, in die jeweils kurze Zitate aus dem Stück eingeblendet sind. Die Informationen betreffen Begriff und Inhalt des Wortes Globalisierung, die Textil- und Sportindustrie, EPZs, Gewalt gegen Gewerkschafter, Werbung und Sponsoring an Schulen.
In die Spiel- und Vorbereitungsvorschläge fließen theaterpraktische Erfahrungen des GRIPS im Vorfeld der Inszenierung ein, aber auch Spiele aus anderen Quellen wie “Globales Lernen”.
Besonders brauchbar sind die Literaturhinweise und Links am Schluss, die jede Menge weiterer Informationen erschließen und die Einbindung des GRIPS in die Protestbewegung von ATTAC beschreibt.
Unbedingt lesen und anschauen, wenn bei einem Berlin-Besuch möglich.
Veranstaltungstermine u.ä. unter www.grips-theater.de

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Diese Rezension wurde verfasst von uwo.
Veröffentlicht am 01.01.2010