Das Schloss meiner Mutter

Autor*in
Serge Scotto, Éric Stoffel
ISBN
978-3-95839-532-9
Übersetzer*in
Sachse, Harald
Ori. Sprache
Französisch
Illustrator*in
Tanco, Morgan
Seitenanzahl
96
Verlag
Splitter
Gattung
Buch (gebunden)Comic
Ort
Bielefeld
Jahr
2017
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
19,80 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Nein, meine Mutter hatte kein Schloss. Aber sie durfte (mit uns) die Abkürzungen zum Ferienhaus über fremde Grundstücke nehmen. Über fast alle.

Beurteilungstext

Wenn Marcel Pagnol erzählt, dann ist die Welt noch in Ordnung, dann gilt ein Wort, dann gelten Überzeugungen - egal, welche Konsequenzen sich daraus ergeben mögen. Seine Erzählungen aus dem Süden Frankreichs, das Stadtleben ist so ganz anders als das nur 4 Stunden Fußwegs entfernte Landleben, strahlen Behaglichkeit aus. Die kleinen und großen Sorgen der Menschen machen es uns nicht leicht, sich in die Welt des frühen 20. Jahrhunderts hineinzufinden. Unser heute so mobiles Dasein erfährt eine starke Dämpfung, denn vor gar nicht langer Zeit war das Leben nicht nur in Südfrankreich so ganz anders als bei uns - angefangen von der unterschiedlichen Sprache zwischen Stadt und Land bis zu der Obrigkeitshörigkeit zwischen Bürgern und Amtspersonen.
Nach dem "Ruhm meines Vaters" folgt nun die Fortsetzung, beide jeweils sehr kongenial verfilmt, und nun als Graphic Novel erschienen. Auf die Art der Darstellung muss man sich einstellen, die Figuren sind eher Karikaturen, mit schnellem Strich erschaffen und angelehnt an Szenen aus Fernsehserien: nah am Geschehen und übertrieben in der Gestik und einige Male in der Darstellung ein wenig verändert - wenn es sich um gedankliche Weiterführungen einer Szene handelt.
Der erzählende Text ist in eckigen, weiß unterlegten Flächen geschrieben, die vorherrschende wörtliche Rede ist, wie in Comics üblich, in Sprechblasen gerundet. Alle Schriften sind in Großbuchstaben gedruckt, was das Lesen nicht unbedingt einfacher macht, die Bildfolgen sind möglichst unterschiedlich und weiß umrahmt gestaltet, was ein eher intuitives Anschauen und Lesen fordert. Ebenso muss man die wörtliche Rede in einigen Bildern behandeln.
Wovon erzählt die Geschichte? Es ist die - eigentlich verbotene - Nutzung einer Abkürzung eines Weges um mehr als 3 Stunden. Die Familie hat (wie wir aus dem ersten Band wissen) ein Ferienhaus, dessen Erreichen jedoch einen mehr als 4-stündigen beschwerlichen Weg erfordert. Der Weg am Kanal entlang ist viel kürzer, führt allerdings über Privatgelände. Der Kanalwärter hat den Schlüssel für die Türen und er gibt seinen Zweitschlüssel an die Familie, gegen den Widerstand des Vaters, aber (wie wir sehen werden) mit stiller Duldung der Besitzer der Grundstücke. Ein Hausmeister jedoch übertreibt seinen Einsatz und hätte fast das Fundament der Familie zerstört. Gelingt aber nicht.

Tiefe ist ein Merkmal des Buches. Das betrifft Freundschaft, Respekt, Mitfühlen, Akzeptanz, Schullernen (um (als einzig Möglicher) in das Gymnasium aufgenommen zu werden und der Grundschule damit Ehre zu erweisen), Hilfe und ähnliche Werte. Aber auch die Illustrationen verdienen nicht nur wegen des Fleißes (deutlich mehr als 600 Einzelbilder) Lob, sondern auch für die Struktur und die Wiedererkennbarkeit der Personen, für die Stille wie den kleinen Aufregungen.

Wer den "Ruhm" oder das "Schloss" gelesen hat, wird auch außerhalb Frankreichs sich fragen, wo seine eigenen Vorfahren herkommen, was es sie selbst ausmacht, wo man seine eigenen Quellen finden kann. Schön.

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Diese Rezension wurde verfasst von uhb.
Veröffentlicht am 01.10.2017