Das Schaf im himmelblauen Morgenmantel. Von Bild zu Wort zu Bild zu Wort zu Bild

Autor*in
Knödler, Christine
ISBN
978-3-95854-060-6
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
128
Verlag
Mixtvision
Gattung
Ort
München
Jahr
2016
Lesealter
ab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
19,90 €
Bewertung
empfehlenswert

Teaser

Namhafte Autorinnen/Autoren und ebenso bekannte Illustratorinnen/Illustratoren haben in einer Art Schreibspiel gemeinsam dieses Buch geschaffen - voller Kreativität und überraschender Wendungen.

Beurteilungstext

Eine Form kreativen Schreibens sind Schreibspiele, in denen gemeinschaftlich Texte entstehen. Sie leben von Regeln, Einschränkungen, Überraschungen - und damit von Zwängen. Wer an Workshops zum kreativen Schreiben teilgenommen hat, kennt das Vergnügen, wenn solche gemeinschaftlich entstandenen Texte vorgelesen werden. Es ist beachtlich, welche Potentiale für Texte, aber vor allem in dem Schreibprozess selber in solchen Schreibspielen bestehen. Und in der Situation der Gruppe sind die Produkte großartige Texte. Aber sollten die Texte dann auch veröffentlicht werden? Haben sie wirklich einen Wert für eine breite und von der Entstehungssituation entkoppelte Öffentlichkeit? Es ist gut, dass den Leitenden in kreativen Schreibworkshops in der Regel bewusst ist, dass die entstandenen Texte nicht veröffentlicht werden sollten.

Christine Knödler hat namhafte Kinderbuchautorinnen/-autoren und ebenso namhafte Illustrierende in einem solchen Schreibspiel zusammengerufen, die gemeinsam ein Buch geschrieben und illustriert haben. Die Regeln waren recht einfach:
- ein Illustrator hat zwei Wochen Zeit, ein Bild zu malen;
- das Bild geht an eine Autorin, diese hat zwei Wochen Zeit, einen Textanfang zu schreiben;
- die nächste Illustratorin hat nun wiederrum zwei Wochen Zeit für eine Illustration, kennt aber nur den Text.
- Das Bild wird weitergereicht mit einer ganz knappen Inhaltsangabe, und ein Autor schreibt weiter.

Insgesamt 31 Künstlerinnen/Künstler haben so dieses Buch geschaffen. Ein wunderbares Experiment! Und für den Mut, die Ausdauer und die Gesamtgestaltung gebührt Christine Knödler ein großes Lob.

Den Auftakt macht ein flächiges Bild von Quint Buchholz, viel Himmel, eine Bushaltestelle, zwei Pinguine. Ein Bild, wie gemacht für einen kreativen Geschichtsanfang. Antonie Schneider nutzt das, um erste Eckpfähle einzurammen, die im Laufe der Erzählung immer wieder vorkommen: Ein Omnibus, eine Feier oder ein vornehmer Ball, den zwei Menschen besuchen wollen. Stefanie Harjes greift in ihrem Erzählbild vieles aus dem Text auf, führt es weiter, schafft Vorlagen, die anschließend in einem Kapitel von Heinz Janisch aufgegriffen werden. Er lässt sich von den Bildelementen leiten, erzählt um sie herum. Erst im dritten Textkapitel von Wieland Freund erhalten die zwei inzwischen gefestigten Protagonisten Namen: Nida und Till. So entwickelt sich die Erzählung weiter, gesteuert durch Bild- und Textimpulse. Eine kongruente, in sich logische Erzählung entsteht nicht. Das ist auch nicht wichtig, das Lesevergnügen entwickelt sich nicht anhand eines roten Fadens, der schwerlich zu finden ist. Das Lesevergnügen entwickelt sich entlang des Prozesses: Was kommt nun? Wie reagiert die nächste Illustratorin, der nächste Autor? Hier zeigt sich, dass Kreativität nicht dann groß ist, wenn man "der Fantasie freien Lauf" lassen kann, sondern wenn sie eingeschränkt ist, wenn es Vorgaben gibt, die der Phantasie Grenzen setzen, an die es vielleicht auch schwer ist, anzuknüpfen. Kreativität zeigt sich dann als Größe, wenn in Bild oder Text aus zuvor eher verfahrenen Erzählsituationen ein neuer Ausweg gefunden wird, wenn es gelingt, neue Akzente zu setzen.
Ein besonderes Verdienst gebührt hier Isabel Abedi, die ein Schaf einführt, das nicht schafen kann - welch Drama. Dieses nicht schafen Können wird an anderen Stellen aufgegriffen, auch die Figur des Schafes wird immer wieder verwendet.
Einige Erzähltexte und einige Bilder bringen die Erzählung voran, knüpfen an und geben Möglichkeiten der Fortführung. Andere nehmen eher auf, was war, schaffen kaum neue Akzente, wodurch Brüche entstehen, die nicht immer funktional oder besonders einfallsreich sind. Das ist schade. In einer Schreibgruppe auf einem Schreibworkshop würde das dem Lesevergnügen keinen Abbruch tun, man kennt sich, man weiß voneinander, kann das persönlich anbinden - und nach dem Vorlesen kommt ja das nächste Schreibspiel, da mag jemandem das ein oder andere besser gelingen. Vielleicht wäre für eine Veröffentlichung dann doch noch ein weiteres Steuerungselement hilfreich gewesen.

Überzeugend ist auf jeden Fall die vielfältige Bildgewaltigkeit. Deutlicher als in den Textstilen zeigen sich in den Bildern die individuellen Stile und Zugänge der Illustrierenden. So wird mit dem Buch die Breite der deutschen Illustrationsszene deutlich: Von ernst bis heiter, von statisch bis bewegt, von flächig bis detailreich, von sehr realistisch bis abstrakt. Auch die Techniken sind vielfältig.

Bleibt noch die Frage: Wer liest das Buch? Ist es ein Buch von Kinder- und Jugendbuchschaffenden für Kinder und Jugendliche? Zunächst kann man sagen: Die Erwachsenen, die sich mit Kinder- und Jugendbüchern befassen, werden begeistert sein. Auch die "Szene" des kreativen Schreibens wird sich ergötzen können und vergnüglich das Buch lesen. Ein Lob aus dieser Richtig ist angemessen und wohl verdient. Ob Kinder und Jugendliche es von sich aus lesen wollen? Ich habe meine Zweifel. Zu unklar ist die Adressierung in Text und Bild - für welches Lesealter? Zu wenig gelingt es, über die verschiedenen Kapitel die Spannung zu halten, zu stark sind die Brüche. Es wäre aber zu wünschen, dass Kinder und Jugendliche den in den Texten und Bildern eingebrannten Spaß der Autorinnen/Autoren und Illustratorinnen/Illustratoren am Projekt aufspüren, nachempfinden, daran teilhaben und sich anregen lassen zu eigenem geselligen Schreiben.

Christoph Jantzen, AJuM Hamburg

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Christoph Jantzen; Landesstelle: Hamburg.
Veröffentlicht am 26.09.2016

Weitere Rezensionen zu Büchern von Knödler, Christine

Knödler, Christine

Der Geschichtenkoffer für Schatzsucher: Erzähltes und Gezeichnetes, Gereimtes und Ungereimtes, Komisches und Ernstes

Weiterlesen
Knödler, Benjamin; Knödler, Christine

Young Rebels - 25 Jugendliche, die die Welt verändern!

Weiterlesen
Schneider, Antonie; Knödler, Christine

Es flattert und singt. Gedichte und mehr und alles für Kinder

Weiterlesen
Knödler, Benjamin; Knödler, Christine

Young Rebels

Weiterlesen
Ködler, Benjamin; Knödler, Christine

Young Rebels. 25 Jugendliche, die die Welt verändern!

Weiterlesen
Knödler, Christine

Sonnenschein und Sternenschimmer

Weiterlesen