Das Recht der Erde. Eine Erzählung über den Boden, der uns trägt

Autor*in
Davodeau, Etienne
ISBN
978-3-551-77130-8
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Davodeau, Étienne
Seitenanzahl
216
Verlag
Carlsen
Gattung
Buch (gebunden)ComicSachliteratur
Ort
Hamburg
Jahr
2023
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüre
Preis
27,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Über 700 Kilometer wandert Davodeau quer durch Frankreich, meist allein, von der Tropfsteinhöhle Pech Merle im Südwesten bis nach Bure im Nordwesten, wo ein atomares Endlager geplant ist. In einer Comicreportage stellt er diesen politischen Selbstversuch anschaulich dar.

Beurteilungstext

Davodeau macht sich im Sommer 2019 zu einer Selbsterfahrung auf, die ihn von den 22 000 Jahre alten Wandzeichnungen eines Mammuts bis zu dem Departement Meuse, wo mit dem Projekt Cigéo 500 Meter unter Erde hochradioaktiver Abfall in Felsstollen eingelagert werden soll. Im Zentrum seines Interesses steht der Boden, „die Haut der Erde“ und seine Bedeutung für die Menschen. Dabei begegnet er immer wieder der Zivilisation, verbringt aber auch ganze Tage allein in der Natur. Typisch französisch ist dabei sicher auch die Auseinandersetzung mit der ländlichen Provinz, ein Thema, das für deutsche LeserInnen vielleicht weniger präsent ist. Fiktiv lässt er sich begleiten von Gesprächspartnern, mit denen er eigentlich vor seiner Tour gesprochen hat, u.a. mit dem Atomkraftkritiker Bernard Laponche, einer der ersten, der die französische Atomkraft aufgebaut hatte, der aber bald dazu überging, die Öffentlichkeit vor den Gefahren dieser Technologie zu warnen. Weitere Gespräch, etwa mit dem Aktivisten Joël Domenjoud, einer Spezialistin von Papier, einer Linguistin, etc. folgen. Der Bezug zwischen Perle Merle und dem Atommülllager lässt sich vor allem über die Frage der Überlieferung von Wissen und Gefahren herstellen. Sind wir in der Lage, Menschen in 22 000 Jahren, wenn die Radioaktivität immer noch strahlt, von uns zu erzählen? Ist das „Verbuddeln“ des Mülls nicht ein gedankenloser Versuch, die Reste unserer Zivilisation verschwinden zu lassen, der scheitern muss?
Davodeau wurde 1965 geboren und gehört zu den bekanntesten Comic-Zeichnern Frankreichs, der vor allem durch seine sozialkritischen Comicreportagen Preise erhielt, z.B. 2005 den Comicpreis von Angoulème für das beste Szenario.
Spannend ist, dass Davodeau politisch wie ästhetisch zu völlig anderen Schlüssen kommt als sein Kollege Christophe Blain, der für den Klimaforscher Jean-Marc Jancovici, die mit „Welt ohne Ende“ letztes Jahr einen Klima-Bestseller veröffentlichte, der als Konsequenz aus der Klimakrise die Atomkraft als „Fallschirmtechnologie“ beim Übergang zu einer nachhaltigeren Energiewirtschaft preist. Davodeau wendet sich mit „Das Recht der Erde“ gerade gegen die bei unseren französischen Nachbarn so verbreitete Atomkraft-Begeisterung. Davodeau sieht in der Technologie auch eine Bedrohung für unseren Umgang mit der Politik: „Kernkraft und Demokratie sind wie zwei Magnete, die sich voneinander abstoßen“ Dies macht er an den Maßnahmen deutlich, die gegen die AtomkraftgegnerInnen und die BewohnerInnen von Bure vorgenommen werden.
Die Schwarz-Weiß-Zeichnungen zeigen realistisch die Natur, es gelingt Davodeau allzu esoterisches Feiern von deren Größe mit humorvollen Darstellungen von Alltagsproblemen (von Blasen an den Füßen bis Schweißgeruch) zu kontrastieren. Es ist wohltuend, wie die Natur damit unspektakulär beschrieben und nicht romantisch überhöht wird.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von RPAK; Landesstelle: Rheinland-Pfalz.
Veröffentlicht am 12.04.2023