Das kleine Rentier und das Rotkehlchen

Autor*in
Bailey , Rosa
ISBN
978-3-8458-5624-7
Übersetzer*in
Zeltner-Shane, Henriette
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Saldana, Carmen
Seitenanzahl
96
Verlag
arsEdition
Gattung
Buch (gebunden)Fantastik
Ort
München
Jahr
2023
Lesealter
4-5 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiVorlesenFreizeitlektüre
Preis
15,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Es war einmal ein kleines Rentier, das sich im Wald verirrt hatte. Wo war seine Herde geblieben? Es war alleine. Auf einmal blitzte es feuerrot vor ihm auf. Ein Rotkehlchen! Erlebe mit, ob das magische Rotkehlchen dem Rentier helfen kann. Viel Freude beim Lesen.

Beurteilungstext

Das rechteckige, verhältnismäßig dicke Bilderbuch für kleine Leser ist besonders und auch ausführlich in Worten und Bildern. Durchweg erzählt es mit einfühlsamen und poetischen Beschreibungen vom kleinen Rentier. Der junge Vierbeiner ist uns sofort sympathisch und es gelingt sehr schnell, sich mit ihm zu identifizieren. Für das kleine Rentier ist es der erste Winter, den es bewusst erlebt, denn es ist noch kein Jahr alt. Und so bewundert es die weiße Pracht und bestaunt die Schneeflocken, die auf seiner Zunge zergehen. Das Tal, das es bisher kannte, sieht nun ganz anders aus. Eine weiße Decke aus Schnee hat sich darüber ausgebreitet. Wir können uns gut in die Verzückung des kleinen Rentieres versetzen. Ich bin auch immer wieder aufs Neue in freudige Faszination versetzt, beim Anblick einer weißen Winterlandschaft. Dazu blauer Himmel, Sonnenschein und eine andächtige Stille… Die Welt kann so schön, friedlich und vollkommen wirken. Doch die Rentiermutter warnt ihr Junges auch vor den Gefahren, denn „Schnee kann auch hart und schlimm sein“, sagte sie zu ihm. Deshalb machte sich die Herde auf den Weg, um eine Höhle zum Schutz zu Suchen. Sogar neben dem Leittier durfte das kleine Rentier an der Spitze der Herde voranlaufen. Das große Geweih und auch die Klugheit der Anführerin bewunderte es sehr. Immer tiefer drangen sie in den Wald vor und es wurde dunkler, durch die dichter stehenden Bäume, aber auch, weil der Mond am Himmel aufging. Für das kleine Rentier gab es so viel zu Schauen und voller Andacht zu bewundern… sogar eine Sternenschnuppe war vom Himmel gefallen. Hatten das die anderen Tiere auch bemerkt? Manche würden das Jungtier vielleicht als Träumer bezeichnen. Aber Andere dafür können ihm nachfühlen und sich mitfreuen, dass es ein feines Gespür hat für die wunderbare Alltagspracht um es herum, und sich nicht von Zeit und Hektik beeinflussen lässt. So wie sich die Gefahr zuspitzt, so ändert sich auch das Farbenspiel im Buch. Ja, es wird dunkler und dichter, aber auch einsam um und in dem Rentierkind. Das helle Weiß und die lichten Stellen, nehmen zusehends ab und es verstärken sich die dunklen Grautöne, bis zum nächtlichen Schwarz. Das unterstreicht die Angstgefühle, dass sich einsam fühlen vom Jungtier. Es hat bei all seiner Bewunderung den Anschluss an die Herde verpasst und ist nun ganz allein auf sich gestellt. Aber es fasst schnell neuen Mut und redet sich gut zu: “Keine Angst kriegen. Mutig sein!“. Es erinnert sich an den Rat seiner Mutter und gräbt sich tief im Schnee ein, um nicht zu erfrieren. Und mit dieser Hoffnung schläft es ein und die Bildlandschaft ist wieder heller bis ganz hell geworden. Sehr schön umgesetzt. Die prosaische Schrift wird komplimentiert durch die vertiefende Bildwirkung. Und dann taucht der magische Vogel, das Rotkehlchen auf. Es setzt nicht nur fortan eine hervorhebende farbliche Veränderung in den Fokus, sondern vermittelt uns Betrachtern den Beginn einer zarten Freundschaft zwischen ungleichen Tieren. Der Vogel plustert sich keck auf und schaut frech dem Rentier ins Gesicht. Und dieses überrumpelte, viel größere Tier als der kleine Vogel, ist sehr erfreut, nun einen Freund zu haben. Das stimmungsvolle Bild dazu, Beide sich von Angesicht zu Angesicht, Nase auf Nase ausgerichtet, sich gegenüber stehend, finde ich sehr rührend. Und dann bewundert das kleine Rentier die rotgefiederte Brust des Rotkehlchens, wie eine rote Beere – kugelrund und leuchtend rot. Damit würde es gut sichtbar sein für den Vierbeiner beim Voranfliegen, auf der Suche nach den Höhlen. Den richtigen Weg zu finden, das gehörte nämlich zu den Dingen, die der Vogel am besten konnte. Im übertragenen Sinne könnte das Rotkehlchen eine Art „Schutzengel“ für das Rentier sein, das ihm hilft, nicht zu erfrieren und zur Herde zurückzufinden. Belustigt werden wir Augenzeugen, wie das Rentier sein Spiegelbild auf der zugefrorenen Wasseroberfläche verdutzt betrachtet und sich über seine rot aussehende Nase wundert. Und das Rotkehlchen lacht, denn es sieht aus, als habe es ein Geweih. Was man sieht oder sehen möchte, liegt im Auge des Betrachters. Und dann entdeckt das Rentier außerdem, dass sein Geweih gewachsen ist. Voller Stolz flüstert es: „Ich bekomme ein richtiges Rentier Geweih.“. Der weitere Weg erfordert noch einmal viel Mut vom kleinen Vierbeiner. Jedoch vertraute er seinem gefiederten Freund und sein Herzklopfen ließ nach, er setzte Huf vor Huf und konnte selbst nicht glauben, wie ihm geschah. Er konnte fliegen und verwundert bestaunte er von oben herab, wie groß die Welt ist und was ihn alles erwartete. Und dann, zum Glück, stürmte das kleine Rentier auf seine Mutter vor der Höhle zu, die ihr mutiges Junges wieder in der Herde willkommen hieß. Ihre Nasen berührten sich und das Rotkehlchen war aber verschwunden. Dafür werden wir Leser und auch die Herde mit einem atemberaubenden farberfüllten Himmel belohnt. Ein absolutes Highlight, nach den vielen Grau- und Weißtönen. Die schwarzen Schattenkörper der Herde vor dem Farben Spektrum, sehr einprägsam und berauschend. Wehmütig betrachtete das kleine Rentier den leuchtenden Himmel, bei dem violett, grün, gelb und rot ineinanderflossen. „Du bist mutig“, hörte es den Vogel noch einmal sagen. „ Das mutigste Rentier, das ich kenne“. Ein letztes Mal flammt der Himmel rot auf wie die Brust des Rotkehlchens. „Sei mutig. Leuchte weiter.“. Und das kleine Rentier nickte. Von nun an würde seine rote Nase den Weg leuchten. Und strahlender Schneefall beendet die Geschichte, so wie sie auch startete. Wir sind sehr angeregt von dem sehr empfehlenswerten Bilderbuch mit Tiefgang und philosophischen Denk- und Gesprächsansätzen. Dazu ist es eine kunstvolle Interpretierung, die auch Raum zum Verweilen, Vertiefen und Nachdenken gewährt. Vielen Dank für diesen Buchschatz, der kein gewöhnliches Bilderbuch ist. Sehr empfehlenswert für Kinder, die für Besonderes aufnahmefähig sind. Vielen Dank beiden Künstlerinnen. Das ist für mich herzerwärmende literarische und bildnerische Kunstform.

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Diese Rezension wurde verfasst von WS; Landesstelle: Thüringen.
Veröffentlicht am 19.12.2023