Das Hühnerparadies

Autor*in
Lungu, Dan
ISBN
Übersetzer*in
Munteanu, Aranca
Ori. Sprache
Rumänischen
Illustrator*in
Seitenanzahl
208
Verlag
Residenz
Gattung
Ort
St. Pölten
Jahr
2007
Lesealter
ab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
17,90 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Im ‚Zerknautschten Traktor', der Stammkneipe aller Anwohner der Akazienstraße, pulsiert das Leben - die Kneipe ist Infozentrale über alles, was sich in und neben der Akazienstraße abspielt. Aber nicht immer ist der Inhalt der Informationen wahrheitsgetreu, denn vieles spielt sich ja auch hinter verschlossenen Türen ab - die Gerüchteküche brodelt.

Beurteilungstext

Auch wenn das Buch über eine Straße in einer ‚postkommunistischen', wie der Klappentext es nennt, rumänischen Provinzstadt handelt, so könnte das Geschehen überall in der Welt stattfinden, dort, wo das Rad der Großen Geschichte stehen geblieben ist oder dessen Folgen nur wenig spürbar wurden. Das Gros der Anwohner der Akazienstraße gehört zu den unteren Einkommensgruppen, wenn die Leute überhaupt einen Arbeitsplatz haben und nicht nur von staatlicher Unterstützung und dem, was ihre Gärtchen hergibt, leben müssen. Deshalb haben die meisten Leute auch das, was den Menschen der Großstädte fehlt, - nämlich Zeit. Und diese verbringen sie mit einer gewissen Regelmäßigkeit in der Kneipe ‚Zerknautschter Traktor', der wie alles in dieser Straße eine eigene Geschichte hat. Diejenigen, die aus irgendwelchen Gründen aus der Menge herausragen, werden entweder misstrauisch beäugt oder mit unbegründeter und -erklärlicher Ehrfurcht behandelt. Aber diese Menschen bilden Inseln, werden, auch wenn sie gelegentlich in das Zentrum des Geschehens, den ‚Zerknautschten Traktor', eintauchen, nicht in die Straßengemeinschaft aufgenommen. Denn eigentlich haben die Menschen schon genug zu tun mit ihren Geschichten oder den kleinen Erlebnissen, die ihr Leben verändern.
Mit viel Humor und einer gut gelungenen Portion Ironie stellt der Erzähler die Episoden seiner Mitbewohner dar, vergisst dabei nicht, die Menschen aus Sicht der anderen zu bezeichnen oder zu beschreiben. So erhält Hleanda, die die Straßenhunde aus der Stadt bei sich aufnimmt, als diese zusammen mit dem Bauschutt aus der City in die Akazienstraße gelangen, den Beinamen die Irre, unter dem sie offensichtlich allen Anwohnern bekannt ist. Keiner stört sich daran, als Hleanda gemeinsam mit ihren Hunden, unterstützt von deren Geheul, durch die Straße zieht und Weltuntergangsthesen verbreitet. Es kümmert sich aber auch keiner um sie, denn sie ist keine Einheimische. So nimmt es nicht wunder, dass in äußerst nüchternem Ton von ihrem Tod berichtet wird: Die Hunde haben sie zerfleischt, die Ermittlungen über den Hergang verlaufen mehr als oberflächlich.
Insofern lässt sich das Buch und sein Inhalt auf viele andere Ort übertragen, allzu viel Lokalkolorit gibt es nicht, ausgenommen von den Auswirkungen eines planwirtschaftlichen Denkens und Handelns.
Das Buch wendet sich an den Leser, der über ‚Dorfgeschichten' schmunzeln kann, der sich wohl fühlt in einer solchen Atmosphäre, aber auch genügend Abstand findet, darüber lächeln zu können.

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Diese Rezension wurde verfasst von magic.
Veröffentlicht am 01.01.2010