Das Hotel zum Oberstübchen

Autor*in
Baseler, Nadjavan den Brink, Annemarie
ISBN
978-3-95470-239-8
Übersetzer*in
Blatnik, Meike
Ori. Sprache
Holländisch/Niederlä
Illustrator*in
van der Pol, Tjarko
Seitenanzahl
45
Verlag
Gattung
Buch (gebunden)Sachliteratur
Ort
Leipzig
Jahr
2020
Lesealter
6-7 Jahre8-9 Jahre10-11 Jahre12-13 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Klassenlektüre
Preis
15,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

"Nach dem Töpfchen was fürs Köpfchen" - eine neue Herausforderung zum entdeckenden Wissen von den Macher*innen der "Kackwurstfabrik".

Beurteilungstext

Eine Herausforderung zum Selberdenken: Das Hotel zum Oberstübchen, ein Sacherzählbuch der 1. Klasse.

Es gibt Pensionen unter den Sachbüchern, die man einmal aufsucht und die sich im Nachhinein in eine undefinierbare Erinnerung an alle Pensionen der Welt auflöst, die keine eigene Kontur haben. Es gibt die Jugendherbergen unter ihnen, die, trotz oder gerade wegen wiederkehrbarer und festverankerter Elemente für eine Erinnerung an Spaß, Freunde und kalten Pfefferminztee sorgen. Und es gibt das Hotel zum Oberstübchen. Sein Luxus besteht nicht in teuren Möbeln, sprich Bildern, die wie ein Schatz nur betrachtet, aber nicht genutzt werden dürfen – nein: Seine Besonderheit liegt darin, dass jeder Besuch ein neuerliches herausforderndes Entdeckungsabenteuer mit sich bringt.
Wie schon in seinem Vorgängerbuch der „Kackwurstfabrik“ werden Unterhaltung und Wissenserwerb - diesmal über das menschliche Gehirn - durch eine Entdeckungsreise der kindlichen Protagonist*innen verbunden. Die Enkelkinder einer Familie begeben sich auf einem Familientreffen auf Spurensuche nach einem Geheimnis…
Die Entdeckung – so viel sei verraten – stellt das Suchen und Forschen, das Verbinden von Logik und Fantasie in eine Tradition der großen Denker. Wer sich in eine solche Tradition stellen will, braucht mehr als lineare Erklärungsabfolgen, der/die muss selber denken. Und das ermöglichen Marja Baseler und Annemarie van den Brink als Autorinnen und Tjarko van der Pohl als Illustrator mit Bravour.
Das Wissen über Funktionen, Abläufe, Verbindungen und Zusammenspiel der Teile des Hirns wird hier durch ein narratives Spiel erworben. Dieser spielerische Aufbau implementiert eine suchende Forschungspraxis als Narration – und inszeniert dabei das Suchen und Entdecken als Praxis des Wissenserwerbs. Denken ist dabei nicht nur auf der narrativen Ebene, sondern auch auf der methodischen eine mäandernde Bewegung, die abschweift, den Faden wieder aufnimmt, ohne scheinbaren Zusammenhang ergänzt und dabei wie zufällig eine Haupterkenntnis entstehen lässt: Nämlich dass Denken ein Prozess ist, der Fantasie und Persönlichkeit braucht.
Die vielen kleinen Geschichten, Verweise, Selbsttest, Miniinfos, die auf jeder Doppelseite zum entsprechenden Teil des Gehirns und seiner Funktion beigeordnet sind, entlassen den/die Leser*innen außerdem aus der Hand der kindlichen Protagonist*innen und machen die Leserin so zur eigenständigen Entdeckerin. Insofern steht das „Hotel zum Oberstübchen“ in einer schönen Tradition der Demokratisierung von Wissen – einer weiteren Verknüpfung zum großen Denker, der sich hinter dem Familiengeheimnis verbirgt. Diese Demokratisierung wird dadurch verstärkt, dass Kinder durch die Erzählung begleiten und in das Wissen einführen. Die Fachbegriffe werden den Kindern zugemutet, durch Lautsprache in Klammern formuliert und erklärt: Das Hotel zum Oberstübchen ist eine Herberge, die seinen Bewohner*innen etwas abfordert. Dahinter verbirgt sich jedoch wiederum eine Demokratisierung, weil den Kindern zugetraut wird, komplexe Zusammenhänge nachzuvollziehen und eben auch das Fachvokabular zu erfassen.
Die Erklärungen bestechen darüber hinaus durch ihre klare Sprache, die sich direkt an die Leser*innen wendet und werden durch van der Pohls fantastisch detailreiche Wimmelbilder ergänzt. Diese sind abstrakt, mehrdeutig und dennoch anschaulich. Als Ergänzung der Erzählung irritieren die Bilder zwar nicht, und regen doch zum Selbstdenken an, weil die Leser*in sich hier eine eigene Vorstellung machen muss. Informationen und Bilder werden somit ganz individuell in Verbindung gebracht – jedes Kind nimmt sich seine wichtigen Informationen mit und keine Erwachsene kann hier ernsthaft nach dem egalisierenden Inhalt des Buches fragen. Für die einen geht es um das Gehirn oder um die Verarbeitung oder um das Vergessen oder die Geschichte der Familie oder wozu es den Schlaf braucht oder die Fragen oder das Träumen oder einen Helm beim Fahrradfahren.
Diese eigene Disposition in diesem Feld zu finden, ist neben dem Respekt und der Achtung der kindlichen Leser*innen und ihrer Fähigkeiten die große Stärke des Buches. Damit geht es weit über ein Sachbuch hinaus, weil es den Leser*innen nicht nur ein Wissen vermittelt, sondern sie darin bestärkt, sich selbst zu vertrauen und einen eigenen Zugang zu Wissenschaftsfeldern einzunehmen.
Vielleicht ist genau das der Grund, warum das Buch bei den Kindern meiner Lebenswelt so jubelnd begrüßt und immer wieder vorgelesen werden muss. Im Hotel zum Oberstübchen kehrt man gerne sogar ein zehntes Mal ein. Ein schöneres Kompliment kann ein Sachbuch wohl kaum bekommen.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von AHM; Landesstelle: Hamburg.
Veröffentlicht am 27.11.2020

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