Das Herz der Finsternis. Nach Joseph Conrad

Autor*in
Conrad, Welles;
ISBN
978-3-86231-842-1
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Amerikanisch
Sprecher*in
Umfang
151  Minuten
Verlag
Gattung
AudioErzählung/Roman
Ort
Berlin
Jahr
2016
Alters­empfehlung
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
12,99 €
Bewertung
empfehlenswert

Teaser

Im Jahr 1939 reist der schweigsame Kapitän Marlow zum letzten weißen Fleck der Landkarte: In den tiefsten Dschungel Zentralafrikas, das „Herz der Finsternis“. Er soll den verschollenen Elfenbeinhändler einer deutschen Handelsförderation suchen, der am entferntesten Punkt der Zivilisation, am Ufer des Kongo, verschollen ist. Marlow reist mit einem Schaufelraddampfer immer tiefer in die Wildnis des afrikanischen Kontinents, dorthin, wo Kultur und Werte der Zivilisation zu bröckeln beginnen...

Beurteilungstext

Joseph Conrads Opus Magnum diente nicht nur Francis Ford Coppola als Vorlage zu seinen Hollywood-Blockbuster »Apocalypse Now«, bereits 1938/39 schrieb das geniale amerikanische Multitalent Orson Welles dazu ein nie verfilmtes Drehbuch. Nun kann man diese Adaption als Hörspiel entdecken – ein imaginärer Hör-Film über die Abgründe des Kolonialismus. Ein Stoff, wie geschaffen für den Visionär Orson Welles, der nicht nur Regie führen wollte, sondern auch die Protagonisten selbst spielen wollte. Hier sollte zum ersten Mal das Konzept der „subjektiven Kamera“ konsequent zur Anwendung kommen, bei der die Kamera radikal die Perspektive des Protagonisten – und damit auch des Zuschauers – einnimmt. Aber der Film wurde nie realisiert – zu teuer, zu gewagt.

Doch fast 80 Jahre später ist die Hörspielfassung des WDR - so absurd es klingen mag – ein gelungener Film. Denn das Experiment eines Hörfilms ist durchaus gelungen. Walter Adler hat das Film- zum Hörspielskript umgeschrieben, und sich bei der Aufnahme stark an der Ästhetik von Welles legendärer Radioproduktion der „Krieg der Welten“ orientiert. Es schnarrt wie aus einem alten Mono-Lautsprechern, wenn die Musik aus „Citizen Kane“ – dem Film, der Welles dann stattdessen weltberühmt machte – die von Robert Dölle gelesenen Regieanweisungen untermalt und Sylvester Groth als Captain Marlow immer tiefer und tiefer in die Abgründe des Dschungels und der menschlichen Seele vordringt.

Allerdings verlangt das Hörstück vom Zuhörer absolute Konzentration und viel Hörerfahrung – denn gleich drei parallelle Welten muss dieser imaginieren: Erstens die Welt der Figuren, klassische Dialoge in gewohnter Hörspielmanier; zweitens die Visionen des Elfenbeinhändlers Kurtz, dem personifizierten „Herz der Finsternis“, dem teuflischen Dämonen der Unterwelt – genial bedrohlich gesprochen von Ulrich Matthes; und drittens die suggestiven Regieanweisungen Orson Welles – gelesen von Robert Dölle – die die Bildausschnitte und Perspektiven für jede Hörspiel- bzw. Filmsequenz festlegen. Diesen ständigen Switch zwischen den drei Wirklichkeitsebenen können nur erfahrene Hörer meistern. So kann das Hörspiel wohl auch erst durch mehrmaliges Hören seine imaginäre Sog-Kraft entfalten.

Denn von Beginn an liegt eine bedrückende Schwere drohenden Unheils auf der Produktion. Sylvester Groth und Ulrich Matthes flüstern mit einer an den Film noir mahnenden Theatralik eine Vision nach der anderen. Detailliert schildert Robert Dölle – alias Orson Welles – die Atmosphäre des Kolonialismus in Zentralafrika. Lediglich in den Erzählpassagen mit Elsa Kurtz – gesprochen von Sandra Hüller - die zum Zwecke einer Romanze entgegen der Vorlage Conrads ins Skript geschrieben wurde, ist dem Hörer ein wenig Hoffnung vergönnt. Natürlich wird sie am Ende ent-täuscht.

Wer an einem dunklen Wintertag in den Sog dieses beklemmenden Hörstücks gerät, ist danach auf jeden Fall nicht zum Feiern aufgelegt. Schon bei Conrad war es eine Geschichte, die die Gefahr birgt, alle humanistischen Überzeugungen zu zerstören – auch die der Zuhörer. Durch Orson Welles Bearbeitung verstärkt sich dieser Effekt noch...

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Diese Rezension wurde verfasst von OWA; Landesstelle: Sachsen-Anhalt.
Veröffentlicht am 02.04.2017