Das Buch der gestohlenen Träume

Schlagwörter

• Familie
• Freundschaft
• Gewalt

Teaser

Im fiktiven Land Krasnia hat ein Tyrann die Macht an sich gerissen. Er will ein zauberkräftiges Buch in seine Hände bekommen, mit dem er einen Durchgang zum Totenreich öffnen kann, denn er ist todkrank und will sich so das ewige Leben sichern. Doch die Geschwister Rachel und Robert können das mit Hilfe einer Gruppe Widerstandskämpfer verhindern.

Beurteilungstext

Malstain, so heißt der Tyrann, verbreitet Angst und Schrecken. Er hasst Kinder und lässt keine Fröhlichkeit, kein Vergnügen und kein öffentliches Leben zu. Der Vater von Robert und Rachel, ein Bibliothekar, der seinen Kindern in der Sicherheit der eigenen Wohnung den Zugang und die Liebe zu Büchern eröffnet hat, erfährt, dass Malstain das Buch, das in der Bibliothek liegt, an sich reißen und so seine Herrschaft unendlich ausdehnen will. Mit der Unterstützung seiner Kinder holt er das Buch aus der Bibliothek, wird aber selber verhafte. Und so müssen die Kinder sich der Aufgabe annehmen, das Buch, dessen Geheimnis sie noch nicht kennen, zu verstecken und an einen sicheren Ort im freien Nachbarland zu bringen.
Auf ihren Wegen begegnen die Kinder, die zeitweilig getrennt sind, verschiedenen Menschen, die teils Gegner von Malstain sind, teils aber auch seine Gefolgsleute. Dabei erfahren sie auch, was das Buch kann und wie diese magische Möglichkeit entstanden ist. Das Buch erzählt Träume, und zwar so intensiv, dass sie wirklich sein könnten. Und so kann das Buch auch den Traum erfüllen, den Zugang zur Welt der Verstorbenen zu öffnen. Ursprünglich hat jemand es dichten lassen, weil er nicht ausgehalten hat, dass seine Geliebte verstorben war. Es ging um Verbundenheit und Nähe. Malstains Wunsch ist eine Vereinnahmung des Buches für missbräuchliche Zwecke, geht es ihm doch nur um sein Leben, nicht um Verbundenheit mit einem anderen Menschen. Aber das Buch deutet auch auf die Macht der Fantasie, die Macht von Geschichten hin, die in unserer Vorstellung oder vielleicht auch in Wirklichkeit Träume wahr werden lassen können. Am Ende kann die Macht des Diktators beendet werden.
Der parabelartige Roman erzählt von Widerstand gegen Diktatur und von Vertrauen und Freundschaft. Die Mechanismen von Gewaltherrschaft und Überwachung werden deutlich, auch, wie eng die Spielräume für Widerstand sind. Auch die Brutalität der ausführenden Organe wird nicht ausgespart. Der poetische Ton, die dargestellte fantastische Welt und die ins Buch eingestreuten Ausschnitte aus dem „Buch der gestohlenen Träume“ hingegen erzeugen eine unwirkliche Stimmung. Dadurch entsteht ein Bruch im Buch, der irritiert – und es ist nicht wirklich sichtbar, ob dieser Bruch zwischen poetischer Erzählweise und harten Schilderungen gewollt oder unfreiwillig entstanden ist.
Die Ausgestaltung der fantastischen Welt ist lebendig, anschaulich und gut vorstellbar. Es wird keine vage mittelalterliche Feudalgesellschaft entworfen, sondern eine eher moderne Welt mit Flugschiffen, Hotels, Medien und Wirtschaftsgeflecht zwischen Staaten. Dass es nicht eine fiktive Realität ist, sondern eine fantastische, wird unter anderem daran deutlich, dass technische Geräte und Möglichkeiten unseren ähnlich sind, aber nicht gleich. So hat die Welt auch etwas von Cyberpunk-Welten. Die Figuren sind lebendig und in sich schlüssig entworfen und dargestellt, und das Buch zieht Leser*innen in den Bann.
Die schwarz-weißen Illustrationen sind ein- oder doppelseitig. Mal sind es Szenen aus dem Geschehen, mal Schmuckblätter für die Träume aus dem magischen Buch. Vignetten über den Kapitelanfängen zeigen immer ein aufgeschlagenes Buch, aus dem Figuren oder Dinge herauszuwachsen scheinen. Die Illustrationen verstärken insgesamt die poetisch-verträumte Stimmung des Buches.
Ein lesenswertes ungewöhnliches fantastisches Buch für ältere Kinder.