Das blaue Kätzchen

Autor*in
Hellstrom-Kennedy, Marika
ISBN
978-3-89603-403-8
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Miler, Zdenek
Seitenanzahl
32
Verlag
LeiV
Gattung
Ort
Leipzig
Jahr
2012
Lesealter
8-9 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
12,90 €
Bewertung
nicht empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Susi wünscht sich ein Kätzchen und ihr Freund, der chinesische Student Ah Lo Sung, erfüllt
ihr diesen Wunsch. Eines Tages jedoch färbt sich das Fell des Kätzchens Ming-Ching über Nacht blau. Von den Reaktionen der Dorfbewohner eingeschüchtert, versteckt sich Ming-Ching voller Scham und versucht verzweifelt, die Farbe seines Fells zu ändern – bis seine Katzenfreunde ihm wieder Mut machen.

Beurteilungstext

„Das blaue Kätzchen“ befasst sich mit Fremdenfeindlichkeit und Toleranz – das jedoch auf erschreckend oberflächlichem Niveau. Die Problematik wird weltfremd und verkürzt dargestellt.
Eingangs wird die Lebenssituation eines chinesischen Studenten beschrieben. Er lebt in einem der Gästezimmer in einem „hübschen, kleinen, weißen Haus“ und lässt die Anfeindungen der Dorfbewohner stoisch, geradezu erhaben über sich ergehen. Zwar mag es solche Konstellationen vereinzelt geben; mit der eigentlichen Debatte und der Lebenswirklichkeit der meisten Migranten in Deutschland hat diese Geschichte jedoch nichts zu tun. Studium, Bildung, Dorf, hübsches Häuschen, in dem der Migrant mit seiner einheimischen Vermieterin gemeinsam wohnt – all das sind Komponenten, die die Geschichte und die damit verknüpfte Aussage bereits in einen unglaubwürdigen, scheinheiligen Kontext zerren.
Ebenso verhält es sich mit dem Schicksal des Kätzchens. Hineingeboren in die heile Dorfwelt, unterscheidet es sich allein durch seine Fellfarbe von den anderen Katzen, die zu allem Überfluss erst nach einer Verwandlung in Erscheinung tritt.
Mit der Toleranzdebatte eng verknüpfte brisante Themen wie sozioökonomischer Status, Bildungsbenachteiligung, Sprachbarrieren und Differenzen durch kulturell bedingte Verhaltensformen und Wertesyteme werden systematisch ausgeklammert. Was bleibt, ist die Belehrung über differierende äußere Erscheinungsformen des Menschen in verschiedenen Erdteilen, die angesichts der komplexen Problematik eine Binsenweisheit ist.
Aufgelöst wird der Konflikt im Buch, indem das blaue Kätzchen wiederum eine gesellschaftlich isolierte Rolle einnimmt, diesmal allerdings im positiven Sinne: Nach der genannten Belehrung stehen sämtliche Dorfbewohner Schlange, um sich Ming-Chings besonders schönes, blaues Fell einmal genauer anzusehen. Von einer Integration auf Augenhöhe kann also weder vorher, noch nachher die Rede sein.
Die Illustrationen nehmen relativ viel Raum ein und deuten hin und wieder über die im Text geschilderte Handlung hinaus. Sie zeigen viel Liebe zum Detail, wie es für den Zeichner typisch ist. Allerdings unterstreichen die äußerst idyllischen, kindertümelnden, oft in Pastellfarben gehaltenen sowie mit Blumen und vielen Tieren geschmückten bunten Zeichnungen den Effekt der Verzerrung dieses ernsten Themas. Auch eine ausgesprochen ausgeprägte Verwendung des Kindchen-Schemas sowie eine auffällig geschlechtsspezifische und eindeutig bürgerlich geprägte Darstellung der Menschen trägt zu diesem Eindruck bei.
In der Summe ist festzuhalten, dass „das blaue Kätzchen“ die Brisanz und die Tragweite der modernen Migrationsdebatte und die damit verbundene Lebenswirklichkeit der Betroffenen verkennt. Dem Anspruch, einen Beitrag zur Toleranzerziehung zu leisten, wird das Buch daher nur in Ansätzen gerecht. Zwar ist zu bedenken, dass sowohl der Text, als auch die Illustrationen einer anderen Zeit mit einer sicher etwas anders gelagerten Problematik entstammen (erstmals 1964 in Prag verlegt); es stellt sich jedoch die Frage, warum ein solches Buch heute neu aufgelegt wird, wo doch gerade dieses gesellschaftspolitische Thema einem derart rasanten Wandel unterlag.

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Diese Rezension wurde verfasst von nv.
Veröffentlicht am 01.01.2010