Das alte Haus an der Gracht

Autor*in
Harding, Thomas
ISBN
978-3-96428-157-9
Übersetzer*in
Stuart, Nicola T.
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Britta, Teckentrup.Teckentrup, Britta
Seitenanzahl
56
Verlag
Jacoby & Stuart
Gattung
BilderbuchBuch (gebunden)
Ort
Berlin
Jahr
2023
Lesealter
6-7 Jahre8-9 Jahre10-11 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Büchereididaktisches MaterialFreizeitlektüreKlassenlektüreVorlesen
Preis
22,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Prinsengracht 263 in Amsterdam - Diese Adresse ist fast Allen ein Begriff. Doch was ist eigentlich die ganze Geschichte hinter diesem weltberühmten alten Haus an der Gracht, in dem Geschichte geschrieben wurde?

Beurteilungstext

Es ist schwer mit Kindern im Grundschulalter über Themen wie den Nationalsozialismus, die deutsche Geschichte oder sogar einzelnen Personen aus dieser Zeit zu sprechen. Doch manchmal stellen Kinder Fragen, die die Erwachsenen erst einmal grübeln und zweifeln lassen. Wie kann ich dem Kind dieses belastende Thema erklären, wie ihm eine Antwort geben? Sollte ich es überhaupt ehrlich thematisieren oder wische ich die Frage einfach beiseite? Dieses Bilderbuch macht es leichter solche Fragen zu beantworten und den Kindern die damaligen Geschehnisse zu erklären. Denn Kinder haben ganz klar ein Anrecht darauf eine Antwort auf ihre Fragen zu erhalten und über die Geschichte der Menschheit aufgeklärt zu werden, denn sie selbst sind Teil dieser Geschichte. Eine sinnvolle Aufklärung hat außerdem die Chance etwas in den Kindern zu bewirken und für mehr Toleranz und Akzeptanz zu sorgen.
Mit wunderbar einprägsamen Illustrationen in stimmungsvollen, warmen Farben wird in diesem Buch die Geschichte des Hauses von Grund auf beschrieben, welches uns heute allen ein Begriff ist - dem alten Haus an der Prinsengracht 263 in Amsterdam. Es ist das Haus, in dem Anne Frank, ihre Familie und weitere Juden/Jüdinnen sich über mehrere Jahre vor den Nazis versteckt haben. Dabei wird sich der Geschichte des Mädchens Anne Frank über die Geschichte des Hauses angenähert, sodass nicht unbedingt die Person, sondern das Haus, welches der Familie jahrelang ein rettender Zufluchtsort war, im Vordergrund steht. Die Handlung beginnt 1580 und zeigt auf dieser Doppelseite eine unberührte Landschaft mit Tieren. Es ist die Landschaft, die später zur Gracht und zum Standort des Hauses wird. Der Aufbau und die verschiedenen Bewohner:innen des Hauses werden auf den folgenden Seiten nach und nach beschrieben und vorgestellt. So wird deutlich, dass jedes Haus eine Geschichte und schon viele andere Menschen beherbergt hat. Diese Aufarbeitung regt vermutlich auch dazu an sich mit der Geschichte des eigenen Wohnhauses zu befassen, sie zu recherchieren oder Fantasiegeschichte darüber zu spinnen.
Detailliert wird beschrieben, welche historischen Ereignisse rund um das Haus passiert sind und welche Gefühle dabei auch beim Haus ausgelöst wurden. Das Haus durchlebte mit seinen Bewohner:innen die Pest, den Jahrtausendwinter, fröhliche Feste, war einsam, leer und traurig oder belebt, hell erleuchtet und von glücklichen Stimmen umgeben. Ein wiederkehrendes Motiv ist dabei immer das Läuten der benachbarten Kirche alle Viertelstunde. Dieses Motiv tritt stetig auf. Als Anne Frank und ihre Mitbewohner:innen entdeckt werden, wird die düstere Stimmung des folgenschweren Ereignisses damit untermalt, dass das Läuten der Kirchenglocken an diesem Tag ausbleibt. Erst jetzt in der Gegenwart ertönen die Kirchenglocken erneut alle Viertelstunde.
1853 gesellt sich zum Haus ein Kastanienbaum, der auch für Anne Frank ein wichtiges Bild darstellte, immer wenn sie sich traute aus dem Fenster zu schauen und von einer goldenen Zukunft zu träumen.
Besagte Anne Frank tritt 1941 in das Leben des Hauses, als ihr Vater - der im Buch lediglich als hochgewachsener Mann beschrieben wird - sein Geschäft in dem Haus unterbringt. Ab diesem Zeitpunkt wird die Person Anne Frank und ihr Tagebuch in den Vordergrund gestellt und näher beschrieben, sodass man einen guten Eindruck über sie erhält und sich gut vorstellen kann, wie diese Person gelebt hat und welche Emotionen sie durchleben musste.
Auf der letzten Doppelseite werden die einzelnen historischen Etappen noch einmal kurz, aber detailliert beschrieben. Durch diese räumliche Abgrenzung wird dem Leser/der Leserin freigestellt, ob sie diese sachlichen Hintergründe ebenso thematisieren oder es eher nur bei der lyrischen Aufarbeitung belassen möchte. Die Informationen helfen aber dabei noch einmal genauer zu beschreiben, welche Tatsachen in dem Buch behandelt werden.
In diesem Bilderbuch ergeben die wunderbar detaillierten, plastischen Illustrationen und die kurzen, aber bedeutungsschweren Texte ein hervorragendes Gesamtbild. Der Leser/die Leserin kann sich durch dieses gelungene Zusammenspiel problemlos in die Geschichte einfinden. Die Texte gliedern sich unaufdringlich in die Illustrationen ein, ergänzen sie, stellen sich nicht in den Vordergrund und überlassen den Bildern genügsam die Bühne.
Die Illustrationen zeigen das Beschriebene, sind zwar detailliert, wirken dabei aber nicht überfrachtet. Sie zeigen lediglich das für die Beschreibungen bedeutsame. Emotionen und Stimmungen werden durch passende Farben (dunkel und gedeckt) und Gestiken rübergebracht. Auffällig ist, dass alle gezeigten Figuren eher schemenhaft dargestellt werden. Mit Ausnahme von Anne Frank und ihrem Vater. Diese beiden Personen bekommen eine echte, realitätsnahe Mimik. Diese Beobachtung verdeutlicht, dass der Fokus der historischen Aufarbeitung des Hauses auf diesen beiden Personen - und eben vor allem Anne Frank - liegt. Aufgrund ihrer Bedeutsamkeit und der steten Darstellung über die gesamte Doppelseite können die Illustrationen auch durchaus ohne die Texte gezeigt werden, sodass sich lediglich über die Bilder dem Haus und seiner Geschichte genähert wird.

Anmerkung

Dieses Bilderbuch sollte in jedem Fall gemeinsam mit dem Kind gelesen werden, damit man danach noch einmal über die Inhalte, die Bedeutung und die Botschaft sprechen kann und die Kinder nicht mit dem Gelesenen alleine gelassen werden. Das Buch eignet sich sehr gut als didaktisches Material. Optional auch für den Gebrauch im Unterricht, wenn dieses Thema gerade bei den Kindern für Fragen sorgt.

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Diese Rezension wurde verfasst von Leonie Bensing; Landesstelle: Thüringen.
Veröffentlicht am 21.12.2023