Das alte Haus an der Gracht

Autor*in
Harding, Thomas
ISBN
978-3-96428-157-9
Übersetzer*in
T. Stuart, Nicola
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Teckentrup, Britta
Seitenanzahl
56
Verlag
Jacoby & Stuart
Gattung
Buch (gebunden)Sachliteratur
Ort
Berlin
Jahr
2023
Lesealter
10-11 Jahre12-13 Jahre14-15 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiKlassenlektüreFreizeitlektüreVorlesen
Preis
22,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Im Mittelpunkt des Buches steht ein Haus in Amsterdam, das zu Beginn des 17. Jahrhunderts erbaut wurde. Davor gab es an diesem Ort nur feuchtes Marschland, erst durch die Arbeit der Menschen wurde es trocken und bebaubar. Nacheinander fanden viele Menschen dort ein Zuhause - wie z.B. ein Steinmetz und eine Familie mit vielen Kindern, später gab es auch Werkstätten. Richtig bekannt wurde das Haus als das Versteck von Anne Frank und ihrer Familie; ihre Geschichte wird hier ausführlich erzählt.

Beurteilungstext

Vor fast 400 Jahren wurde an der neu entstandenen Prinsengracht ein „hohes schmales Haus“ erbaut, es wurde „Schauplatz einer bemerkenswerten Geschichte“. Thomas Harding beginnt mit seinem Bericht schon vor dem Bau und zeigt die Landschaft im Jahre 1580, noch leben dort Mäuse, Reiher, Kühe und Möwen. Einige Jahrzehnte später hat sich die Stadt Amsterdam bis zu diesem Ort ausgedehnt. Auf dem inzwischen trockengelegten Land gibt es interessante Grundstücke an der Gracht, bald stehen dort Häuser mit mehreren Stockwerken und eine große Kirche. Harding erzählt von vergangenen Ereignissen und macht dabei in bestimmten Jahren Station (z.B. 1653, 1742, 1841, 1910); dabei geht es um das Leben der mal armen oder der mal wohlhabenden Bewohner, um besonders kalte Winter und die Pest, um Feste und die Arbeit in den Werkstätten, um einen nächtlichen Brand. „Die ganze Zeit war das Haus erfüllt von Stimmengewirr, von Schritten und Düften.“ Und im Hof beginnt ein Kastanienbaum zu wachsen, der später noch einmal erwähnt wird.

1940 dann verändert sich alles, auf den Straßen fahren Autos voller Soldaten, sie „stahlen die Träume der Menschen“. Im Haus an der Gracht bringt ein „hochgewachsener Mann“ sein Geschäft unter, man sieht ihn mit seiner Tochter. 1942 müssen sich „das Mädchen mit dem lieben Lächeln“, seine Familie und vier weitere Personen im Hinterhaus verstecken, „damit die Polizisten und Soldaten sie nicht fanden“. Und immer müssen sie leise sein, „mucksmäuschenstill“. 1944 wird ihr Versteck entdeckt, Polizisten und ein Soldat „nahmen sie (die Bewohner) fest und brachten sie weg.“ Als der „hochgewachsene Mann“ nach dem Krieg zurückkehrt, bekommt er das Tagebuch seiner Tochter, das die Helfer gefunden und verwahrt hatten, und kämpft erfolgreich für den Erhalt des inzwischen verfallenen Hauses. Heute kommen Menschen aus aller Welt das Haus an der Gracht besuchen und „erfahren von dem Mädchen mit dem lieben Lächeln und von ihrem Tagebuch … und von ihren Träumen von einem goldenen Morgen.“

Erst auf den letzten zwei Seiten im Anhang erfährt man die Namen der vorgestellten Menschen und einiges mehr über ihren Lebenslauf. Nun wird klar, dass es sich bei allen um wirkliche historische Personen handelt, die namentlich bekannt sind: der Baumeister Dirck van Delft, Baefje Bischop mit ihren zwölf Kindern, der Kaufmann Isaac van Vleuten und andere Bewohner. Auch Anne und die übrigen Mitglieder der Familie Frank, ihre Mitbewohner im Versteck und zwei ihrer Unterstützerinnen werden erst jetzt mit ihren Namen genannt. An dieser Stelle wird auch berichtet, dass die Versteckten in Konzentrationslager verschleppt wurden und Otto Frank „der Einzige (war), der die Lager überlebte“. Zum Schluss gibt es dann die Information, dass das Haus 1960 nach einer umfassenden Renovierung für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde; pro Jahr wird das Museum und das Zentrum für Bildung von mehr als einer Million Menschen besucht.

Britta Teckentrupp hat den Text kunstvoll illustriert, dabei bedient sie sich unterschiedlichster Techniken; mal nutzt sie matte Aquarellfarben, Collagen- und Drucktechniken, dann gibt es Zeichnungen mit technischen Details, die Verwendung von Fotografien. Auf allen Bildern steht das Haus im Mittelpunkt, dabei werden Außenansichten und Innenräume gezeigt. Immer sind aber auch Menschen zu sehen: Arbeiter auf dem Bau, Männer und Frauen in einer Werkstatt, Bewohner bei Festen, Kindergruppen, Soldaten auf der Straße. Meist bleiben die Gesichter verschwommen und schemenhaft, nur die Gesichter von Anne und Otto Frank sowie das der Helferin Miep Gies haben Konturen und einen individuellen Ausdruck. Die eindrucksvollen, historisch stimmigen Bilder lassen die Texte noch verständlicher werden.

Das Buch weist auf das Schicksal der Familie Frank hin, ohne dabei ins Detail zu gehen. So wird über Annes Tagebuch nur erzählt, dass „das junge Mädchen mit Worten Bilder malte – von dem, was sie an diesen Tagen dachte und fühlte“. Um mehr zu erfahren, braucht es weiterer Lektüre und/oder eben einen Besuch des alten Hauses. Insbesondere im Unterricht der Sekundarstufe kann das Buch sehr gut als Ergänzung zu anderen Quellen zum Einsatz kommen. Es zeigt, dass auch Gebäude und Orte eine Art „Zeitzeugen“ sind und ihr Besuch die Erinnerung an vergangenes Leid wach halten kann. Das Erscheinen des Buches wurde durch die „Anne-Frank-Stichting“ in Amsterdam unterstützt.

Von Thomas Harding und Britta Teckentrup ist bereits das Buch „Sommerhaus am See“ erschienen, das sich in ähnlicher Form mit 100 Jahren deutscher Geschichte auseinandersetzt. Es wurde mehrfach ausgezeichnet.

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Diese Rezension wurde verfasst von Dagmar Haunert; Landesstelle: Niedersachsen.
Veröffentlicht am 18.04.2023